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Wachstum und Wandel

3. Juni bis 26. August 2022

3. Ausstellung der Jahresreihe „Natürlichkeiten“

Die Ausstellung „Wachstum und Wandel“ zeigte Arbeiten von Rita Geißler, Annina Hohmuth, Karin Kopka-Musch und Thea Richter. Wachstum und Wandel sind zwei Schlüsselbegriffe, die praktisch allem uns Umgebendem zugrunde liegen. Die vier Künstlerinnen greifen in ihren teils filigran ziselierten oder auch abstrakt reduzierten Papierarbeiten und Collagen jene Facetten auf, die sich auf die vielen Wandlungsprozesse unserer Umwelt und Gesellschaft beziehen. Gleichzeitig laden sie die Betrachter dazu ein, auch im vermeintlich Nebensächlichen genauer hinzusehen und dabei unser stetiges Wachstumsbestreben kritisch zu hinterfragen. Neben der augenscheinlichen Vielfältigkeit ihrer künstlerischen Handschriften repräsentieren Thea Richter (Jg. 1945), Rita Geißler (Jg. 1961), Karin Kopka-Musch (1978–2021) und Annina Hohmuth (Jg. 1985) auch die heterogene Altersstruktur der Sezessionsmitglieder.

Thea Richter als älteste beteiligte Künstlerin in dieser Sektion zeigte hier eine leise, filigrane Seite ihres künstlerischen Schaffens. Die sonst vor allem als Bildhauerin bekannte Künstlerin seziert mit scharfem Blick und spitzem Bleistift alles Organische in ihrer Umgebung. „Biophil“ heißt diese seit 1994 fortlaufend erweiterte Serie aus Graphitzeichnungen auf Pergament. „Biophilie“ bezeichnet die „Liebe zum Lebendigen“ und genau darum geht es der Künstlerin – in Abgrenzung zur insbesondere in der Kunst nicht selten zelebrierten „Negrophilie“, die dem Verfall allen Lebens huldigt. Thea Richter konzentriert sich lieber auf das Lebendige, das natürlich Wachsende und sich Wandelnde in all seinen Facetten. Mikroskopische Genauigkeit wechselt sich auf den durchscheinenden Pergamentblättern mit skizzenhaften Schraffuren ab. Anmerkungen und Beschriftungen komplettieren den Studiencharakter der Arbeiten. Neben Pflanzen-, Pilz- und Bakterienelementen taucht da in den jüngsten Blättern sogar das in den letzten zwei Jahren omnipräsente Corona-Virus auf.

Rita Geißler steht der Natur mit etwas mehr Abstand gegenüber, ist aber eine ebenso einfühlsame Beobachterin, die in ihren druckgrafischen Blättern, Pastellen und Aquarellen oft das vermeintlich Unscheinbare herausgreift und bildwürdig macht. In sehr reduzierter Bildsprache vermag Rita Geißler den Überlebenskampf in der Natur und ihren ständigen Wandel einzufangen. Während viele ihrer Aquarelle, Gouachen und Pastelle im Freien entstehen und bereits eine Tendenz zu grafischer Abstraktion und Reduktion haben, wird in den Kaltnadelradierungen jeder Strich zum wesentlichen Teil der Gesamtkomposition. Gemeinsam ist besonders den grafischen Arbeiten mit Titeln wie „Geknickte Schilfhalme“ oder „Baum in der Burgruine“ der Versuch, in den Motiven Gesetze und Rhythmen aufzuspüren, die allem Natürlichen und Menschlichen gleichermaßen zugrunde liegen.

Nur für kurze Zeit konnte die erst 2019 aus Heidelberg nach Dresden gekommene Künstlerin Karin Kopka-Musch die Sezessionistinnen mit ihrem frischen Blick bereichern, bevor sie im vergangenen Jahr nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb. Zuvor hatte sie noch die spannungsvolle Gruppenausstellung SWUUSH! mit Heidelberger Künstlerinnen in der „galerie drei“ konzipiert und mit eigenen Arbeiten bestückt. Die Eröffnung konnte sie dann leider nicht mehr miterleben. Umso schöner ist es, dass ein Teil des dort gezeigten Werkzykluses „Texturen“, in dem sie anhand der Farbe Rot die Beziehungen zwischen Farbe und Musik in unterschiedlichen Materialien und Medien untersucht, nun hier neu kombiniert und im Dialog mit den Dresdner Künstlerinnen erneut zu sehen waren. Sie selbst schrieb zu ihrer Herangehensweise: „Ich nehme mein Umfeld und das Tagesweltgeschehen in den Blick. Meinen subjektiven, um Objektivität bemühten Blick. Ich beobachte Gruppenverhalten und -organisation, Systeme. Es geht um Glaubenssätze oder was ich glaube, beobachten zu können, welche davon existieren und gelebt werden.“

Im wahrsten Wortsinne etwas aus dem Rahmen fällt in dieser Ausstellung die jüngste Künstlerin Annina Hohmuth. Mit ihrer 2014 entstandenen Arbeit „Fries“ aus gefilzter Wolle brachte sie das einzige plastische Werk in die Ausstellungsbögen der Galerie 2. Stock hinein. Mit seiner lamellenartigen Struktur ist das „Fries“, das aus mehreren Modulen besteht, beliebig erweiterbar und kann sich so wuchernd oder wachsend die Wand entlang bewegen. Sehr stimmig trat außerdem ihre fotografische Serie „Fundstücke“ in den Dialog mit den anderen Künstlerinnenpositionen. Hier reihen sich „unnatürliche“ zwischen natürliche Fundstücke ein und indem sie gleichermaßen dem Wandel der Zeit anheimfallen, überwuchert werden oder zerfallen, werden sie ebenfalls zu natürlich anmutenden Elementen.