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Grußwort zur Gedenkveranstaltung für Marwa El-Sherbini

1. Juli 2019,  Foyer des  Landgerichts Dresden, Lothringer Straße 1

- Es gilt das gesprochene Wort. - 


Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Franke,
sehr geehrte Frau Präsidentin Munz,
sehr geehrter Herr Mazyek,
verehrte in- und ausländische Gäste,
liebe Dresdnerinnen und Dresdner!

Es gibt Jubiläen, auf die man lieber verzichtet hätte.
Es gibt Erinnerungen, die man gern löschen würde.
Es gibt Treffen, die man anders ausfüllen könnte.

Doch zugleich gibt es Tatsachen, die einfach kein
hätte – würde – könnte“ zulassen. Unfassbare Ereignisse,
die Teil der Stadtgeschichte geworden sind, und die deshalb
auch Teil stetiger Auseinandersetzung und aktiver Erinnerung
bleiben müssen. 

Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen, die gemeinschaftliche Anteilnahme, aber auch die vielen Signale, Zeichen und Aktivitäten, zusammen für die menschlichen Werte in unserer Stadtgesellschaft einzutreten!  

Zehn Jahre ist es nun schon her, dass sich die schrecklichen Nachrichten aus diesem Gebäude in der ganzen Stadt, in Sachsen

und bald im In- und Ausland verbreiteten. Der Mord an Marwa El-Sherbini war ein Schock und bleibt unvergessen. Noch heute sind wir voller Trauer und Fassungslosigkeit über diese unbegreifliche Tat. Die Begleitumstände machen immer wieder betroffen. Grausamkeit und Endgültigkeit bestürzen bei jedem Gedanken daran aufs Neue.

Vor uns sehen wir das Foto dieser jungen, schönen Frau.
Die Ägypterin – die seit 2005 in Deutschland und seit 2008
in Dresden lebte – musste sterben, weil ein Nachbar
(ein Russland-Deutscher und damit selbst Ausländer)
es nicht ertragen konnte, dass sie Ihren Glauben und Ihre Herkunft selbstbewusst zeigte. Sie wurde getötet, weil sie Verachtung gegenüber Muslimen nicht hinnahm, sich zur Wehr setzte.
Sie wurde ermordet aus purem Hass in einem deutschen Gerichtsgebäude.
Mit ihr verlor ein Wissenschaftler des Dresdner Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik seine Frau und ein damals kleiner Junge seine Mutter.

Sofort drängen sich uns weitere Bilder und Ereignisse auf,
die leider zur Geschichte und zum Alltag in Dresden gehören:
Der Mord an Jorge Gomondai, der aus Mosambik stammte und
1991 zu Tode gehetzt wurde. Oder später, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, Massenproteste auf Dresdner Straßen gegen die angebliche Islamisierung und hitzige Debatten über Asylpolitik. Außerdem immer wieder Provokationen und offene Anfeindungen gegenüber vermeintlich Fremden.

Das alles schadet ganz klar unserem Ansehen als Kultur-, Tourismus-, Kongress- und Wissenschaftsstandort und läuft allen Bemühungen um Internationalität und um ein respektvolles Miteinander, das selbstverständlich sein sollte, entgegen.

Es ist unerträglich, schwer verständlich und darf keineswegs von uns geduldet werden. 

Zum Glück gibt es auch unzählige Menschen bei uns in Dresden, die ganz alltäglich im internationalen Kontext studieren, forschen und zusammen arbeiten. Aber nicht nur in Kultur und Wissenschaft pflegen Fachleute und Experten Verständigung.

Quer durch alle Branchen, Schichten und Generationen gibt es Dresdnerinnen und Dresdner, die sich etwa für Flüchtlinge engagieren und ihnen helfen, die sich für internationalen Austausch und ein sich gegenseitig bereicherndes, friedliches Miteinander einsetzen. Sie tun dies von Amts wegen und in ihrer Freizeit,

in Veranstaltungen, Initiativen und Ehrenämtern – vor allem aber

mit konkreten Taten!


Liebe Gäste,

es ist ein gutes Zeichen einer aktiven Bürgergesellschaft, wenn ich das Programm der „Gedenkwoche Marwa-El-Sherbini 2019“ sehe.
Über diese Gedenkstunde und den Moment hinaus schafft sie Öffentlichkeit für das Erinnern,

zum Beispiel: 

  • heute 17 Uhr in der Dresdner Kreuzkirche beim Ökumenischen Friedensgebet mit der Predigt von Pfarrer Holger Milkau
  • morgen 17 Uhr im Rathaus-Festsaal bei der Vernissage zur Fotoausstellung „Wir sind Dresdnerinnen“ mit Porträts von Frauen aus dem Frauentreff des Ausländerrates Dresden
  • oder noch bis zum 4. Juli in der Volkshochschule Annenstraße die Ausstellung über „Opfer rechter Gewalt in Deutschland 1990–2017“.

Es gibt viele weitere Angebote – ich danke allen Organisatoren, Mitwirkenden und Unterstützern für ihre wichtige Arbeit!

Diese Erinnerungswoche und zugleich viele weitere Aktivitäten

und Projekte machen Mut für Dresdens Zukunft,

zum Beispiel: 

  • das Wirken der Marwa-El-Sherbini-Stipendiatinnen seit 2011

Ich sehe unter uns auch Frau Youmna Fouad, die dritte und derzeitige Stipendiatin, die sich vielseitig in Dresden einbringt, danke.      

  • die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“, in denen sich jährlich zahl- und ideenreich Menschen einbringen   
  • die „Interkulturellen Tage“, die im September/Oktober 2019 unter dem Motto „Zusammen leben. Zusammen wachsen“ einladen     
  • das „Gastmahl Dresden isst bunt“ vom Bündnis Dresden.Respekt und seinen Partnern, das gerade erst wieder viel Zuspruch fand
  • oder die Kinder von „Musaik“, die grenzenlos musizieren und über das Zusammenspiel von- und miteinander lernen.  

Liebe Gäste,

Stadt, Land, Initiativen, Vereine, natürlich die Museen, Theater und andere Kultureinrichtungen, Kirchen, Schulen und Hochschulen, Kammern, Verbände und Unternehmen und viele andere Akteure stehen für ein Dresden, das sich gegen jegliche Formen von Hass, Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung oder Ausgrenzung engagiert.

Zusammen stehen wir zugleich für eine offene Stadtgesellschaft, die ihre Chancen nutzt, die Kräfte bündelt und die Gemeinsamkeit lebt.

Handeln wir im Alltag mit Zivilcourage!
Seien wir weiter aufmerksam und aktiv!