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Wunder(same) Natur: Wie eine der größten Rot-Eichen Sachsens stirbt und trotzdem weiterlebt

Die Eibe. Der Baumriese in der Hohen Straße 125 ist ein Naturdenkmal.
Die Eibe. Der Baumriese in der Hohen Straße 125 ist ein Naturdenkmal.

Nachgefragt bei: Inga Illgen, Sachbearbeiterin im Umweltamt

Baumriesen – bei dem Wort haben die meisten von uns Bilder von mächtigen Bäumen im tropischen Regenwald vor den Augen. Aber ein Spaziergang durch die heimische Flora lässt anderes erahnen. Grund genug, um Inga Illgen, Sachbearbeiterin im Umweltamt, nach Baumriesen in Dresden zu befragen.

Baumriesen – gibt es diese auch in unseren Breitengraden?
Ja, zu finden sind sie nicht in den forstwirtschaftlich intensiv genutzten Wäldern, sondern eher in Parkanlagen, auf alten Friedhöfen und in unseren Wohngebieten. So auch im Vorgarten der Kaitzer Straße 79 in Dresden-Plauen. Dort steht eine der größten Rot-Eichen Sachsens. Sie ist 24,5 Meter hoch und hat einen Stammumfang von 4,8 Metern, gemessen 1,3 Meter über dem Erdboden. Diese Baumart stammt aus dem östlichen Nordamerika und hat eine Lebenserwartung von etwa 150 Jahren. Mit einem geschätzten Alter von mehr als 180 Jahren ist die Amerikanische Rot-Eiche in der Kaitzer Straße also schon hochbetagt. Selbst die weniger Geschichtsinteressierten können erahnen, Zeuge welcher Ereignisse und Umbrüche dieser Baumriese geworden ist.

Das ist ja Geschichte pur! Wenn der Baum schon so alt ist, was passiert mit ihm?
Ja, das ist Geschichte pur. Der Baum zeigt nicht nur malerische Bilder, sondern führt auch den natürlichen Alterungsprozess vor Augen: Wie bei den Menschen folgt einer kurzen Phase eines maximalen Wachstums ein langsamer Abbauprozess, der sich über viele Jahrzehnte – bei Bäumen manchmal auch über Jahrhunderte – erstreckt.
Die alte Rot-Eiche in Plauen hat ihren Lebensabend wohl erreicht. Ein Einfaulen und Absterben von Starkästen und einzelner Stämmlinge zeugen davon ebenso, wie ein großflächiger, an der veränderten Borkenstruktur deutlich erkennbarer Schaden, dessen Ursache sich nicht eindeutig bestimmen lässt. Ein möglicher Grund ist der Befall mit Honigpilzen (Hallimasch), der zusammen mit weiteren Pilzarten für das Absterben der Wachstumsschicht des Baumes (Kambium) und andere holzzerstörende Fäulen verantwortlich sein kann.
Im Auftrag der Landeshauptstadt Dresden erstellt das Büro Baum & Landschaft seit 2007 regelmäßig Sachverständigengutachten, erfasst die Schadens-ausbreitung und führt neben Verkehrssicherheits- auch Pflegemaßnahmen durch, um diesen besonderen Baum möglichst lange zu erhalten. Jedoch wurde deutlich, dass die Zeit für den alten Baumriesen gekommen war. Aus diesem Grund schnitten nun Fachleute die Krone deutlich zurück. Im Herbst 2019 wird diese dann komplett bis auf den Kronenansatz beseitigt. Es verbleibt ein hoher Baumstumpf

Das ist traurig, denn damit stirbt ja ein Wahrzeichen. Was wird dann aus dem Baumstumpf? Wieso „darf" dieser stehen bleiben?
Den Eigentümern, die sich mit viel Liebe und großer Akzeptanz gegenüber den notwendigen Formalitäten für die alte Rot-Eiche eingesetzt haben, fehlt der mächtige Baum sehr. Er hinterlässt eine Lücke im Straßenbild, die Nachpflanzungen erst in vielen Jahrzehnten zu schließen vermögen.
Der tote Hochstubben lebt dennoch in besonderer Weise weiter. Dies mag zunächst etwas befremdlich wirken. Doch der „kranke" Stamm erfüllt bereits jetzt eine neue und überaus wichtige Aufgabe: Er ist Lebensraum für zahlreiche Pilzarten, wie Eichen-Wirrling, Eichen-Feuerschwamm, Schwefelporling, Wulstiger und Glänzender Lackporling. Aber nicht nur die Pilze fühlen sich wohl, sondern auch zigtausende Spinnen und Insekten. Sie wiederum locken viele verschiedene Vogelarten, wie Meisen, Baumläufer, Kleiber und Spechte, zu dem alten Baum in der Kaitzer Straße – wundersame und üppige Natur.

Ist der Baumriese von Plauen der einzige mächtige Baum in Dresden?
Leider sind solche Biotope in unserer intensiv genutzten Landschaft und im besiedelten Bereich inzwischen viel zu selten geworden – ein Rückgang, der unmittelbaren Einfluss auf die Populationsgrößen abhängiger Tier- und Pflanzenarten hat. Dennoch gibt es bei einem Spaziergang durch Dresden-Plauen und Umgebung vereinzelt mächtige Bäume – die kleinen Naturwunder in spe – zu entdecken. Dazu gehören zum Beispiel die weithin sichtbare Stiel-Eiche auf der Kaitzer Straße 78, das Naturdenkmal „Eibe Hohe Straße 125" und drei stammförmige Efeus der Bernhardstraße 86. Diese Efeus zählen sogar zu den mächtigsten Exemplaren in Sachsen und wurden aufwändig in die Zaunsanierung einbezogen. Aber auch die Schwarz-Nuss auf der Bienertstraße (Ecke Hohe Straße), die Säulen-Rot-Buche auf der Hohenplauen (Ecke Arltstraße), das Naturdenkmal „Fingerblättrige Rosskastanie" am westlichen Zugang des Volksparks Räcknitz und die malerischen Stiel-Eichen am Moreau-Denkmal in Dresden-Zschertnitz sind beeindruckende Bäume.