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https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/interview-klima.php 21.06.2016 15:24:03 Uhr 21.11.2024 18:34:50 Uhr

Klima und Klimawandel sind eine langfristige Angelegenheit

Franziska Reinfried vom Umweltamt erläutert die neue Klima-Messstation in der Dresdner Neustadt

Auf einem Teil der Grünfläche des Spielplatzes Förstereistraße/Jordanstraße in der Dresdner Neustadt errichtet demnächst der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eine Klima-Messstation. Die Hintergründe dazu erläutert Franziska Reinfried. Sie ist Meteorologin im städtischen Umweltamt.

Was ist der Sinn dieser Klima-Messstation?

Es gelang dem Umweltamt ins Stadtklima-Messprogramm des Deutschen Wetterdienstes (DWD) aufgenommen zu werden. Dadurch gewinnt auch Dresden neben den Städten Köln, München, Berlin, Jena, Halle und Leipzig eine neue Innenstadtklima-Messstation.

In einer Stadt stellt sich im Vergleich zum freien Umland ein spezifisches Stadtklima ein. Von besonderem Interesse ist der sogenannte Wärmeinseleffekt, also die Überhöhung der Temperatur über städtischen Flächen gegenüber Flächen im Umland. Tagsüber wärmen sich die Stadtstrukturen stärker auf und nachts kühlen sie nur langsam ab. Je nach Bebauungsart und -material, Bewuchs oder auch Größe der Stadt fällt dieser Wärmeinseleffekt unterschiedlich stark aus. Aber auch andere meteorologische Parameter werden beeinflusst, wie zum Beispiel niedrigere Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit. Mit den Messungen im städtischen Umfeld liegen dem DWD und dem städtischen Umweltamt qualitätsgesicherte Grundlagendaten für eine fundierte Klimaanalyse und -bewertung vor. Sie dienen dem Vergleich sowohl unterschiedlicher städtebaulicher Strukturen als auch dem Vergleich zu anderen Städten. Speziell unter dem Aspekt des Klimawandels sind Messungen im innerstädtischen Bereich wichtig, denn das Stadtklima bekommt nochmals eine besondere Bedeutung: Die Wärmebelastung in ohnehin schon überwärmten Stadtteile wird sich unter den zukünftig steigenden Temperaturen noch verschärfen.

Die mit den Stadtklima-Stationen gewonnen Daten dienen also letztlich auch der Umsetzung der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Untersuchungsergebnisse sollen u. a. für Anwendungen im Bauwesen, der Gesundheitsvorsorge und der Stadtplanung herangezogen werden sowie als Basis zur Entwicklung und Verwirklichung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zum Schutz vor extremen Wetterereignissen dienen. Hier wird u. a. die Notwendigkeit an klimatischen Ausgleichsräumen zur Verminderung der Überwärmung untersucht oder auch der Bedarf an energieoptimierter Gebäudeklimatisierung.

Wieso benötigen wir noch eine Messstation?

Dresden verfügt bereits über drei Stationen des DWD: am Flughafen in Klotzsche, in Strehlen neben einer Großgärtnerei und in Hosterwitz an der Elbe. Das Umweltamt selbst betreibt eine Messstation im Botanischen Garten. Eine weitere Station betreibt die Drewag am Kraftwerk Nossener Brücke. Keine dieser Stationen ist repräsentativ für den stark überbauten, bewohnten Innenstadtbereich. Eine Quantifizierung des Wärmeinseleffektes ist bisher nur über einzelne Messkampagnen möglich. Dies soll sich nun durch die neue Station in der Neustadt ändern.

Wieso steht die Station in der Dresdner Neustadt?

Die Dresdner Neustadt ist ein recht einheitlich bebautes, stark verdichtetes Stadtviertel mit vielen Einwohnern und damit einer hohen Betroffenheit. Aufgrund der großen Baumasse ist die sommerliche Überwärmung hier besonders ausgeprägt. Die relativ engen Straßenzüge erschweren dazu die Durchlüftung. Mit Hilfe von Temperatur-Messfahrten konnte dieser Wärmeinseleffekt bei ausgeprägten sommerlichen Strahlungswetterlagen bereits gezeigt werden.

Mit der neuen Klima-Messstation sammeln wir nun ganzjährig Daten zu Temperatur, Feuchte, Wind, Niederschlagsmenge und -dauer, Sonnenscheindauer und Strahlung. Die Station soll für mindestens 15 Jahre dort stehen. Denn bei Betrachtungen hinsichtlich Klimaveränderungen sind Messreihen über längere Zeiträume nötig: Klima und Klimawandel sind eine langfristige Angelegenheit.

Zunächst gibt es eine mobile Messstation, die mit einem provisorischen Bauzaun gesichert wird. Die Installation der festen Station erfolgt voraussichtlich im ersten Quartal 2017. Diese festinstallierte Station verfügt dann über eine digitale Temperaturanzeige. Dem Standort entsprechend, planen wir außerdem, eine kindgerechte Informationstafel zum Thema Wetter, Klima, Klimawandel aufzustellen.

Was und wo wird noch gemessen?

Um die stadtklimatischen Bedingungen auch in anderen Stadteilen Dresdens aufzuzeichnen, startet demnächst das amtsinterne Messprogramm. Insgesamt acht Temperatur-/Feuchtedatenlogger (Messfühler) stehen für stationäre Messungen zur Verfügung. Diese werden je nach Untersuchungsbedarf eingesetzt. Einerseits wollen wir die klimatischen Gegebenheiten in unterschiedlichen Stadt- oder auch Grünstrukturen abbilden, aber auch Kaltluftströmungen nachweisen.

Bei günstigen Wetterlagen, also sonnenscheinreiche, windschwache Hochdruckwetterlagen, kommt es zur deutlichsten Ausprägung des Wärmeinseleffektes und der Kaltluftabflüsse. Bei Auftreten solcher Wettersituationen starten wir von der Abteilung Stadtökologie des Umweltamtes, wie bereits im vergangenen Sommer, wieder zu nächtlichen Fahrradmessfahrten. Diese Messfahrten zeigen ein noch feinstrukturierteres Bild der stadtklimatischen Bedingungen.