Psychologische Erste Hilfe

Psychische Erste Hilfe und Psychosoziale Akuthilfe ordnen sich in behördliche, soziale und unterstützende Maßnahmen ein und ergänzen diese. Sie sind nicht nur in der ersten Phase nach der Ankunft notwendig, sondern können in verschiedenen Situationen immer wieder benötigt werden.

Psychische erste Hilfe kann u.a. durch professionelle Migrationssozialarbeit, aber auch von Laienhelferinnen und -helfern geleistet werden.

In einer sicheren Umgebung müssen zuerst Grundbedürfnissen wie sichere Unterbringung, Nahrung, Kontakt, soziale Hilfe, Information erfüllt werden. All das wirkt sich auch psychisch stabilisierend aus. Es geht es vor allem um die Beachtung folgender Bedürfnisse:

• Sicherheit und Ruhe: ruhiger, geschützter Ort, respektvoller Umgang, kein Aktionismus, Zeit lassen, ermöglichen gewohnter Abläufe und vertrauter Handlungen
• Verbundenheit: freundliche Zuwendung durch Helfende, Trost spenden, aber auch Ermöglichen von Kontakt zu Nahestehenden in der Heimat oder zu anderen Geflüchteten, Angehörigen in Deutschland oder anderen Ländern
• Selbstwirksamkeit: es ist gut, selbst etwas tun zu können, und dabei unterstützt zu werden, kleine Aufgabe zu übernehmen z.B. auch in Gastfamilien, Alltagsrituale, Sport treiben, geliebte und entspannende Aktivitäten fördern
• Vermittlung von Hoffnung: so gut es geht, Schaffung kleiner positiver Erlebnisse und Eindrücke, Perspektiven auf nächste Schritte vor Ort vermitteln

Ganz wichtig sind gut zu verstehende, klare Informationen:

• Was passiert mit den Betroffenen; wo befinden sie sich; was sind nächste auch behördliche Schritte oder Aufgaben; wie erfolgt Unterstützung bei diesen Schritten in einer ungewohnten und neuen Situation.
• Wie ist die Situation im Heimatland - bei Vermeidung von Überflutung durch Bilder und Informationen. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollten vor schlimmen Bildern geschützt und durch Erwachsene informiert werden; Verwendung von verlässlichen Quellen; Schutz vor Fake-News.

Weitere Informationen zu Psychischer Erster Hilfe und zur Stressbewältigung finden Sie unter den folgenden Links.

Nur in bestimmten Fällen ist akut oder im Zeitverlauf psychologische Beratung, Psychotherapie oder eine psychiatrische Vorstellung notwendig. Dies betrifft vor allem vulnerable Gruppen, z.B. von ihren Familien getrennte Kinder und Jugendliche, Personen mit körperlichen Erkrankungen, alte und schwache Menschen sowie Personen die bereits mit anhaltender Symptomatik unter einer psychischen Erkrankung oder psychischen Traumata leiden.

Bei Merkmalen eines psychiatrischen Notfalls oder einer starken akuten Belastungsreaktion sollte professionelle Hilfe hinzugezogen werden (siehe unten).

Das gilt ganz besonders bei akuter lebensbedrohlicher Selbstgefährdung. Dann sollte die Vorstellung in der Notfallambulanz einer Klinik erfolgen oder der Notarzt über 112 gerufen werden.

Eine Übersicht zu Psychiatrischen Akut-Stationen für Erwachsene und Kinder und Jugendliche sowie zu Notfallambulanzen finden Sie im Krisenwegweiser auf den Seiten 1 und 6.

Wann sollten professionelle Hilfen aufgesucht werden?

• Miterleben extremer Gewalt
• Verlust von Angehörigen (im Herkunftsland oder auf der Flucht)
• anhaltende schwere Schlafstörungen, anhaltende Albträume
• Hören von Stimmen/Wahnvorstellungen
• schwere, anhaltende Angstzustände/Panikattacken
• starke anhaltende innere Unruhe/Getrieben-Sein, extreme Schreckhaftigkeit
• Verwirrtheit, keine Orientierung zu Zeit, Ort oder Person, Vergesslichkeit
• macht den Eindruck, nicht ohne fremde Hilfe zurecht zu kommen
• wiederholte Impulsdurchbrüche und Aggressivität (auch gegen sich selbst)
• Zwanghaftes Verhalten, bizarre Rituale
• Apathie und geistige Abwesenheit im Gespräch bis hin zur Unfähigkeit,
  dem Gespräch zu folgen
• sehr starke Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Person verlässt nicht das Haus/Bett
• Suizidgedanken oder -versuche
• Hinweise auf geringe Nahrungs- und Getränkeaufnahme
• Person scheint unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss zu
  stehen
• regelmäßige körperliche Beschwerden, insbesondere Kopfschmerzen,
  Schmerzen am ganzen Körper, Schwindel, Magen-Darm-Probleme etc.
• Überforderung und Überlastung von Kindern durch Eltern
• bei Kindern: neu aufgetretene Symptome wie nicht altersgerechtes Einnässen oder Einkoten, sexualisiertes Verhalten, distanzloses Verhalten, Ess- und Fütterstörung, Wahrnehmungs- und Entwicklungsstörungen

(Auszug aus dem Leitfaden zum Umgang mit traumatisiertenund psychisch erkrankten Geflüchteten im Aufnahmeverfahren des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. August 2020)

In Dresden gibt es seit vielen Jahren einen „Runden Tisch zur Versorgung traumatisierter Geflüchteter“, bei dem viele Einrichtungen zu dieser Thematik zusammen arbeiten. Diese Strukturen können auch jetzt genutzt werden, jedoch braucht es trotz intensiver Aktivitäten Zeit, diese an die aktuelle Situation und die Bedarfe anzupassen.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen finden regelmäßig sogenannte Campsprechstunden durch Fachkräfte statt, die an die aktuellen Bedarfe angepasst werden.

Erste Ansprechpartner

• Einrichtungen der Migrationssozialarbeit – Übersicht über Unterstützungsprojekte
• Psychosoziales Zentrum Dresden – CALM (Counsel, Aid & Liaison for Migrants)
• Psychosozialer Krisendienst mit Dresdner Krisentelefon
• Sozialpsychiatrischer Dienst Dresden

Bundesweite Angebote

• Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (08000-116016)
• Hilfetelefon "Schwangere in Not" (0800-4040020) Ukrainisch, Russisch
• PINGA: Psychologische Online-Beratung für Menschen aus der Ukraine durch ukrainische psychotherapeutische Fachkräfte,
  kostenfrei Ukrainisch, Russisch, Deutsch
• Krisenchat: Psychologische Chat-Beratung  auf russisch, ukrainisch, englisch und deutsch für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (bis 25 Jahre) 24h erreichbar, kostenfrei

Informationsmaterial für helfende Personen

Handzettel für Helfende - Umgang mit psychisch belasteten Geflüchteten
Flyer - Umgang mit Menschen in Krisen

Kinder und Jugendliche leiden in besonderem Maß unter der mit der Flucht verbundenen plötzlichen Veränderungen ihres Lebensraumes, den Kontaktverlust zu Familienangehörigen und Freundeskreis.

Sie erleben und spüren die Angst und Sorge der engen Bezugspersonen, die sich durch die eigene Belastung nicht in gewohnten Ausmaß kümmern können. Abhängig vom Alter können Kinder und Jugendliche die Vorgänge schwer verstehen und nicht einordnen. Zum Teil waren sie traumatischen Erfahrungen durch das Kriegsgeschehen ausgesetzt.

Kinder und Jugendliche reagieren mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Symptomen auf das Geschehen. Wie bei Erwachsenen gilt: Das sind erst einmal normale Reaktionen auf belastende Ereignisse, die sich häufig und nach und nach auch zurückbilden.

Dazu können z.B. gehören: Angst, Weinen und Traurigkeit, Schlafstörungen, Rückzug, Unruhe, ablehnendes oder aggressives Verhalten, Klammern an Bezugspersonen, verändertes Essverhalten, regressive Symptome wie z.B. Einnässen

Wichtig ist, Ruhe und Besonnenheit zu bewahren, die Symptome als Ausdruck der aktuellen Belastung zu verstehen und nicht zu dramatisieren. Angemessene Zuwendung und Trost, altersgerechte Informationen, Schutz vor beängstigenden Bildern, Aufbau einer regelmäßigen Tagestruktur, Schaffung kleiner positiver Erlebnisse, Versorgung der Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen, Spielen, Ruhephasen) helfen beim Abbau der Stresssymptome.

Nicht zuletzt wirkt sich auch die entsprechende Unterstützung und Entlastung der Bezugspersonen positiv aus. Auch wenn es schwerfällt, dies so zu sehen: ungewohnte Reaktionen und Symptome sind normal und bedürfen nicht unbedingt einer sofortigen fachlichen Behandlung. Dies könnte, wenn unangemessen und zu früh erfolgend, zu zusätzlicher Belastung und Stress führen. Gut sind z.B. tagestrukturierende, spielerische Angebote. Zurzeit entstehen viele Projekte mit solchen Angeboten.

Projekte

• Kinder- und Elternzentrum "KOLIBRI" e.V.
• Angebote für Kinder und Jugendliche des Ausländerrates Dresden
• Angebot der TU Dresden für geflüchtete Schulkinder aus der Ukraine
• Sonechko – Projekt in Dresden, u.a. Soziale Begleitung und Come together für Frauen und Kinder

Professionelle Hilfsangebote bei besonderem Bedarf

• Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Familien
• Fachärztinnen/Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen/therapeuten: Arztsuche der KVS Sachsen
• Übersicht zu geförderten Einrichten und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe in Dresden (deutsch und ukrainisch)
• Lebenswege – Psychosoziale Beratung für traumatisierte Kinder, Jugendliche und Familien aus der Ukraine (Caritas)
• PSZ Dresden – Beratungsstelle für Familien, Kinder und Jugendliche

Zuständigkeit: rechtselbisch

• Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie SKH Arnsdorf (Telefon Akutstation: 035200-262502)       
• Institutsambulanzen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des SKH Arnsdorf: Standort Arnsdorf (Telefon: 035200-262256), Standort Radebeul (Telefon: 0351–79567740)
  

Zuständigkeit: linkselbisch

• Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden (Telefon Akut-/Aufnahmestation: 0351-4584789)
• Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Uniklinik Dresden (Telefon 0351-4583576)

Infomaterialien für Eltern und Kinder

• Flyer: Wenn Kinder ein Unglück miterleben (PDF-Dokument)
• Broschüre: Folgen einer Flucht für Eltern und Kinder (deutsch und englisch)
  (Achtung, die in der Broschüre angegebenen Adressen gelten nicht für Dresden)
• Wie spricht man mit Kindern über Krieg? (PDF-Dokument)
• Broschüre – Psychotherapeutische Hilfe für Kinder und Jugendliche (Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer)
• Elternratgeber für Flüchtlinge: Deutsch | Englisch

Dolmetscher erfahren durch ihre Arbeit von Erlebnissen und Ereignissen, die oftmals auch für sie sehr belastend sein können. Dadurch können sich auch bei Ihnen Stress- und Belastungssymptome entwickeln oder verstärken. Das gilt insbesondere, wenn sie selbst über ihre eigenen Erlebnisse bereits vorbelastet oder ihre Angehörigen in der Heimat betroffen sind.

Empfehlungen und Informationen für Dolmetschende finden Sie hier (PDF-Dokument).