Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de https://www.dresden.de/de/leben/gesellschaft/migration/integrationspreis/interview-intergrationspreis-3.php 27.05.2019 10:26:33 Uhr 22.12.2024 07:16:54 Uhr |
„Der Dresdner Integrationspreis hat uns sehr motiviert!“
Der Vorjahressieger Netzwerk „Willkommen in Johannstadt“ stellt sich vor – Meldefrist für 2019 endet am 15. Juni
Noch bis Sonnabend, 15. Juni, können sich Initiativen, Vereine und Unternehmen für den Dresdner Integrationspreis bewerben. Gesucht werden vorbildliche Aktivitäten des interkulturellen Engagements, die einen nachhaltigen Beitrag für ein vielfältiges, weltoffenes und solidarisches Miteinander in der Dresdner Stadtgesellschaft leisten.
Das Dresdner Netzwerk „Willkommen in Johannstadt“ erhielt im vorigen Jahr für seine Aktivitäten den Dresdner Integrationspreis. Über die Motivation, sich dafür zu bewerben, sowie über die Auswirkungen des Preises spricht Katrin Witte vom Netzwerk.
Wie hat sich die Arbeit in der AG seit der Preisverleihung verändert?
Auf jeden Fall hat uns der Preis sehr motiviert. Besonders freuen wir uns, dass durch die Veröffentlichung der Übergabe des Preises in Tageszeitungen, dem Dresdner Amtsblatt, auf dresden.de und Facebook mehr Menschen unsere Arbeit kennengelernt haben. Interessierte haben sich daraufhin bei uns gemeldet und wir konnten sie als Paten an Geflüchtete vermitteln. Andere helfen jetzt zum Beispiel bei der Betreuung unserer Sprach-angebote, helfen Kindern beim Lernen oder bei organisatorischen Aufgaben.
Unabhängig vom Preisgeld haben wir uns entschieden, nach über drei Jahren aus unserem „formlosen“ Zusammenschluss von Aktiven und Interessierten einen Verein zu gründen. Mittlerweile sind wir „Willkommen in Johannstadt – Verein in Gründung“. Nun können wir uns wieder vermehrt auf Begegnungsmöglichkeiten für Geflüchtete und Einheimische konzentrieren.
Wo gibt es Probleme?
Eine besondere Herausforderung gibt es für Flüchtlinge im noch laufenden Asylverfahren, die eine Ausbildung aufnehmen wollen. Wir betreuen viele Flüchtlinge, die sich bereits drei bis vier Jahre im Asylverfahren befinden ohne dass abzusehen ist, wann das Verfahren beendet wird. Viele Arbeitgeber sind verunsichert, weil sie befürchten, dass Auszubildende abgeschoben werden. Dabei ist es rechtlich durchaus möglich, für die Ausbildung und auch anschließend eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Was gibt es für eine bessere Möglichkeit der Integration als die Aufnahme einer Ausbildung oder einer Arbeit? Trotzdem stellen wir immer wieder fest, dass die Genehmigung zur Aufnahme einer Ausbildung durch die Ausländerbehörde verzögert wird. Es würde sehr helfen, wenn hier sowohl die Flüchtlinge als auch die Arbeitgeber von den zuständigen Behörden besser informiert und unterstützt würden.
Der Übergang von Geflüchteten und Migranten in Arbeit und Ausbildung ist mit hohen Hürden verbunden. Bei einigen funktioniert dieser hervorragend, bei anderen schwindet durch bürokratische Hindernisse die Motivation. Arbeitgeber lassen sich durch lange Wartezeiten oder Unwägbarkeiten verunsichern. Menschen bleiben unter ihren Möglichkeiten, weil bisherige Bildungsabschlüsse nicht oder nur teilweise anerkannt werden.
Für Familien mit kleinen Kindern, die noch nicht in eine Kita gehen, gibt es keine von professionellen Trägern angebotenen Sprachkurse mit Kinderbetreuung. Dieser Bedarf wird momentan durch wenige ehrenamtliche Angebote bedient. Auch wir bieten einen wöchentlich stattfindenden Sprachtreff für Frauen zusammen mit Kinderbetreuung an. Es sind aber meist die Ehemänner, die Sprachkurse besuchen und allmählich ihren Weg ins Arbeitsleben finden, während die Frauen oft Jahre warten müssen, bis die familiäre Situation den Besuch regulärer Integrationskurse erlaubt.
Was haben Sie mit dem Preisgeld gemacht?
Zunächst haben wir uns riesig gefreut, auch über die finanzielle Anerkennung. Sie gibt uns Sicherheit und stärkt uns den Rücken. Zum Beispiel werden bei den meisten Fördermitteln die Kosten erst später erstattet, das heißt nach mehreren Monaten oder sogar erst am Jahresende. So müssen die laufenden Kosten und die für Anschaffungen zunächst privat ausgelegt werden. Durch den finanziellen Puffer können wir nun schneller alles erstatten oder Ausgaben gleich selber tragen.
Einen Teil haben wir für die Komplettierung unseres Werkzeugangebotes verwendet. Wir verleihen Bohrmaschine, Leiter und anderes Werkzeug.
Für den Sommer planen wir erstmals ein Sommerfest, zu dem wir Ehrenamtliche, Migranten, unsere Kooperationspartner und Anwohner herzlich einladen. Wir wollen uns mit dem Sommerfest bei allen Personen bedanken, die uns bei unserer Arbeit unterstützen.
Das Geld erleichtert uns einfach an vielen Stellen die tägliche Arbeit und hilft uns auch weiterhin. Wir planen in Zukunft noch viele schöne Projekte. Nach dem Prozess der Vereinsgründung haben wir auch wieder die nötige Zeit dafür, neue Projekte zu planen.
Was sind die aktuellen Herausforderungen für Ihr Netzwerk?
Eine große Herausforderung ist es, weitere Unterstützer für unsere Arbeit zu gewinnen. Anders als zu Beginn der hohen Flüchtlingszuwanderung ist das Thema Integration bei vielen Menschen nicht mehr aktuell. Auch unsere Arbeit verändert sich. Waren zu Beginn das Thema Unterbringung und Spracherwerb der Schwerpunkt unserer Arbeit, verlagert er sich langsam zum Thema Ausbildung, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe. Dabei benötigen wir weiterhin eine große Anzahl von Helfern.
Viele der Geflüchteten wünschen sich mehr persönliche Kontakte zu Deutschen. Häufig werden wir um die Vermittlung von ehrenamtlichen Helfern gebeten. Persönliche Kontakte und Patenschaften sind eine besonders wertvolle Form der Unterstützung, die man gar nicht hoch genug schätzen kann. Insbesondere für Kinder in der Schule erhöht diese Unterstützung den Lernerfolg und damit auch Chancen auf einen Schulabschluss. Grundschüler, die gerade Schreiben und Lesen lernen, profitieren dabei gleichermaßen von Lernpaten wie geflüchtete Kinder in den höheren Schuljahren. Hier wünschen wir uns noch mehr Menschen, die Paten für geflüchtete Kinder, Erwachsene oder auch Familien werden wollen. In einem Gespräch finden wir gemeinsam heraus, welche Art von ehrenamtlicher Arbeit am besten passt. Auch für organisatorische Aufgaben, zum Beispiel die Betreuung und Vermittlung von Paten, die Verstärkung unserer Sprachangebote oder Schreibarbeiten und vieles mehr suchen wir Unterstützung.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Natürlich viele Vereinsmitglieder und Helfer. Man muss aber nicht Mitglied unseres Vereins werden, um uns zu unterstützen. Auch muss man nicht in der Johannstadt wohnen, um bei uns mitzumachen.
Wir sind per E-Mail an info@willkommen-in-johannstadt.de bzw. online unter www.willkommen-in-johannstadt.de erreichbar.
Wir wünschen uns, dass es sich weiter herumspricht und als Einladung zum Mitmachen verstanden wird, wenn sich hier in Dresden jeden Tag „leise“ und im privaten Raum viele Menschen für Migranten einsetzen.