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Über 45 Millionen Euro Investition für Natur und Gewerbe: Ökologisches Großprojekt Dresden Coschütz/Gittersee offiziell abgeschlossen

Das Ökologische Großprojekt Dresden-Coschütz/Gittersee, als eines von 20 Großprojekten in den neuen Bundesländern 1993 gestartet, ist beendet. Oberbürgermeisterin Helma Orosz feierte heute (13. August 2012) gemeinsam mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich den offiziellen Abschluss der Sanierung.

„Die Zeit heilt alle Wunden, so eine alte Volksweisheit. Aber wir alle wissen, dass die Zeit allein manchmal zu Heilung nicht ausreicht. Wir müssen die Zeit auch nutzen. Das Gelände Coschütz-Gittersee ist ein fantastisches Beispiel dafür, dass Wunden in unserer Stadt und der Natur, in der wir leben tatsächlich heilen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, echte Perspektiven entwickeln und umsetzten. Wir gemeinsam haben es in der Hand, wie gesund unsere Umwelt ist. Lassen wir nicht nach im Wirken dafür", so Oberbürgermeisterin Helma Orosz.

"Die erfolgreiche Revitalisierung dieses einst radioaktiv kontaminierten Geländes zeigt, dass es möglich ist, Ökonomie und Ökologie miteinander in Einklang zu bringen. Unseren Wohlstand erwirtschaften wir heute auf eine ökologisch nachhaltige und generationengerechte Art und Weise. Wo früher Raubbau an der Natur betrieben wurde, schließen sich heute moderne Gewerbezentren an Naherholungsgebiete an", sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

Bis 2001 ist eine 72 Hektar große Industriebrache beseitigt und die Fläche von radioaktiven Kontaminationen befreit worden. Zwei Halden sichern die Stoffe nun dauerhaft. 1,7 Millionen Kubikmeter Abfälle und Erdstoffe wurden dafür bewegt und eingebaut. Die Natur hat in Coschütz/Gittersee ein imposantes Stück Kaitzbachtal zurück. Über vier Kilometer neue Rad- und Wanderwege laden zur Erholung ein. Das moderne Gewerbegebiet zählt aktuell 56 Unternehmen mit über 2 400 Arbeitsplätzen. Ansässige Firmen investierten bisher etwa 106 Millionen Euro vor Ort.

Die Kosten des Projektes belaufen sich auf 45,5 Millionen Euro. Die Landeshauptstadt Dresden zahlte 14 Millionen Euro, Bund und Freistaat übernahmen 31,5 Millionen Euro. Coschütz/Gittersee wird ökologische weiter überwacht. Für die nächsten 25 Jahre kostet das etwa 3,5 Millionen Euro.

Im Gelände wurden über 4 580 Meter Straßen mit Geh- und Radwegen gebaut. Über 11 800 Meter Abwasserkanäle und Trinkwasserleitungen sind verlegt worden und drei Regenrückhaltebecken sind entstanden. Gepflanzt wurden mehr als 70 000 Bäume und Sträucher, davon allein 55 000 Douglasien. Ein Hang ist komplett neu aufgeforstet.

Geschichte

Das Umweltamt legte 1992 eine Sanierungsstrategie für das verseuchte Gelände der ehemaligen Uranfabrik vor. Altlasten des Werksgeländes sollten dauerhaft in Tailingshalden (1) lagern. Das Stadtplanungsamt entwickelte den Bebauungsplan für Neuansiedlungen für produzierendes Gewerbe. Die Wirtschaftsförderung und das Straßen- und Tiefbauamt kümmerten sich um die Erschließung und Vermarktung.

Dieses Konzept überzeugte die Treuhand AG. Sie verkaufte das Gelände an die Stadt. Mit der Dekontamination des Betriebsgeländes wurde sofort begonnen. Bereits im März 1994 waren die ersten vier Hektar hergerichtet. Der Aufzugsbau Dresden und Xenon waren die ersten Firmen, die am neuen Gewerbestandort investierten. Parallel zur Ansiedlung lief die Sanierung der früheren Uranaufbereitung weiter. Nach sieben Jahren war der extrem mit radioaktiven und chemischen Kontaminationen belastete Teil tiefgründig gesäubert und freigegeben. Kein radioaktiv belastete Material wurde über öffentliche Straßen nach „draußen" transportiert. Die anfängliche Besorgnis der Anwohner wich der Erleichterung über die gründliche Sanierung. Mit einem wohl überlegten Schichtsystem abgedeckt, lagert das Material als wasserunlösliche Verbindungen in der Tiefe den zu beachtlichen grünen Hügeln angewachsenen ehemaligen Schlammteichen, den heutigen Halden A und B.

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg veranlasste die Sowjetunion die Erkundung und Ausbeutung der Uranvorkommen im sächsischen und böhmischen Erzgebirge. In der Steinkohle des Freital-Döhlener Beckens und im Revier Heidenschanze am südlichen Stadtrand Dresdens kam Uranerz vor.

Um das zu gewinnen, legte die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft „Wismut" im Dresdner Stadtteil Coschütz die Uranfabrik 95 an. Die Kohle wurde auf dem Collmberg unter unsäglicher Belastung für die Kumpel und die gesamte Umgebung im Freien verbrannt, um aus der Asche das Uran zu extrahieren. Bald ging man jedoch zur Aufbereitung von Erzen aus Schlema und Aue über, die über eigens angelegte Bahngleise angeliefert wurden, insgesamt fast sechs Millionen Tonnen. Daraus wurden bis zur Schließung 1961 unter strenger Aufsicht 7 000 Tonnen Uran in seiner natürlichen Isotopenzusammensetzung gewonnen und in die Sowjetunion geliefert. Die Reste der Aufbereitung und die verbleibenden radioaktiven Zerfallsprodukte (Tailings) blieben in zwei großen Schlammbecken im Kaitzbachtal liegen.

Danach wurde die oberflächlich dekontaminierte Erzaufbereitungsanlage zur Fabrik für LKW- und Traktorreifen umgebaut und bis 1991 betrieben. Die meisten Mitarbeiter des Reifenwerkes kannten die Vorgeschichte nicht und waren sich der Gesundheitsgefährdung nicht bewusst. Es genügte, ein Loch in das mit Uransalzen getränkte Mauerwerk zu bohren, um den Staub einzuatmen. Erst nach der Wende wurde klar, welche schwere ökologische Altlasten sich auf über 140 Hektar in Coschütz und Gittersee befanden.

(1) Tailingshalden - Tailings sind radioaktive Zerfallsprodukte der Aufbereitung von Uranerz

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