Das Vorhaben „Gedenkareal Dresdner Norden“ soll einen neuen Impuls für eine intensive, lebendige und strittige Auseinandersetzung mit Fragen und Formen des Erinnerns und Gedenkens im Sinne der zeitgenössischen Erinnerungskultur in Dresden erzeugen. Dabei soll keine Hierarchisierung und Bewertung der früheren Formen des Gedenkens vorgenommen werden. Im Februar 2022 lobte der Geschäftsbereich Kultur, Wissenschaft und Tourismus den Ideenwettbewerb „Gedenkareal Dresdner Norden“, um das Netz der Opfer- und Täterorte im Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt sichtbar zu machen. Ziel war es neue Formen des Gedenkens und Erinnerns zu finden, Erinnerungsorte digital und analog zu markieren und historische Zusammenhänge als Teil einer lokalhistorischen Aufarbeitung darzulegen.
Das Projektteam um die Architekten Prof. Andrea Wandel, Prof. Wolfgang Lorch, Florian Götze und Thomas Wach (Wandel Lorch Götze Wach GmbH) sowie den Künstler Jochem Hendricks überzeugte mit seinem Entwurf MNEMO DRESDEN die 13-köpfige Wettbewerbsjury für sich.
„Wie der Bruch in der Geschichte, der durch die grausame Herrschaft der Nationalsozialisten verschuldet wurde, stehen die entworfenen Skulpturen an den Erinnerungsorten für herausgebrochene Splitter, die sich über das gesamte Stadtgebiet ausbreiten. Durch ihre kontrastierende Gestalt im Stadtraum sollen diese Objekte in Form von Gedenktafeln, Stelen bis hin zu raumgreifenden Installationen Aufmerksamkeit erregen und zugleich Wissen vermitteln.“ (aus dem Siegerentwurf)
Das Preisgericht würdigte den mutigen, raumgreifenden Entwurf. Zentraler Ausgangspunkt ist dabei eine Plattform, die als Ort des Gedenkens an die Deportationen 1941/42 am Alten Leipziger Bahnhof über einem historischen Bestandsgebäude errichtet werden soll. Von dieser architektonischen Setzung aus soll der Rundblick auf das Dresdner Stadtgebiet und insbesondere auf das Netz weiterer Standorte, die mit dem Thema NS-Diktatur in Verbindung stehen (Hellerberg, Göhle-Werke, Albertstadt), ermöglich werden.
Sogenannte Splitter, in unterschiedlichen dreidimensionalen Ausprägungen, sollen als Pendant zur Plattform und mit kurzen Texten sowie QR-Codes versehen, dezentral die weiteren im Wettbewerb benannten Gedenkorte markieren. Flankiert wird die Plattform am Alten Leipziger Bahnhof durch eine im Boden derselben eingebrachte Karte des Stadtgebietes Dresden.
Die Entwurfsidee verbindet den im Wettbewerb geforderten analogen und digitalen Vermittlungsansatz. Das Ensemble des Alten Leipziger Bahnhofs als einstiger erster deutscher Fernbahnhof und Eisenbahndrehkreuz während der NS-Diktatur erfährt mit der Idee der Plattform eine spezielle bauliche Setzung, die die historische Bausubstanz ergänzt, im positiven Sinne irritiert, den Zivilisationsbruch architektonisch erfahrbar macht und damit zur Diskussion einlädt.
Die Stärke der Entwurfsidee liegt aus Sicht des Preisgerichts sowohl im progressiven mutigen Ansatz der Plattform und deren raumgreifender Prägung wie in der Verbindung mit den modular erweiterbaren Splittern für dezentral zu markierende Orte. Das Preisgericht geht davon aus, dass sowohl die baukonstruktive organische Verbindung der Plattform mit dem unter Denkmalschutz stehenden Bestandsgebäude sowie die Frage der Barrierefreiheit in einer vertieften Planung lösbar sind. Die sogenannten Splitter sind in ihrer Materialität durch die Einreicher als Kunststoff vorgesehen, hier empfiehlt das Preisgericht, ein langlebiges Material zu prüfen und alternativ einzusetzen.