Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2024/12/pm_024.php 11.12.2024 19:07:07 Uhr 12.12.2024 00:53:35 Uhr |
Carolabrücke: Ursachen für Schäden liegen in der Bauzeit – Alle Brückenzüge betroffen und müssen abgerissen werden
Der von der Landeshauptstadt Dresden mit der Untersuchung beauftragte unabhängige Brücken-Experte Prof. Steffen Marx stellt am Mittwoch, 11. Dezember 2024, öffentlich das Zwischenergebnis der Ursachenforschung vor und informiert über die aktuellen Erkenntnisse zum Zustand der verbliebenen Brückenzüge A und B. Die Ergebnisse werden im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften in einer Sondersitzung am heutigen Mittwoch erläutert und den Stadträten übermittelt.
Die Ermittlungen ergaben als Grund für das Unglück eine sogenannte wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion. Sie führte in Verbindung mit der Materialermüdung durch die verkehrliche Beanspruchung zu einem Versagen zahlreicher Spannglieder. Aufgrund der vor 50 Jahren gängigen Herstellungsart und dem Einfluss der Witterung auf den Stahl während der Bauzeit entstanden die Korrosionsschäden bereits während des Baus der 1971 fertiggestellten Carolabrücke. Das hat das Gutachterteam um Professor Steffen Marx (TU Dresden, Institut für Massivbau) herausgefunden. Es stellte außerdem fest, dass die Landeshauptstadt die Brücke nach geltenden Normen und Empfehlungen prüfte und entsprechende Sondergutachten veranlasste. Eine verlässliche Vorhersage des Einsturzes war demnach mit den üblichen Methoden nicht möglich. Die Gutachter erkannten außerdem keinen nachlässigen Umgang der Verantwortlichen. Klar ist auch: Die Schäden sind so massiv, dass eine Wiederinbetriebnahme der noch stehenden Brückenzüge A und B nicht möglich ist.
Stadt Dresden möchte Schifffahrt wieder ermöglichen
Neben der Ursachenforschung richtet die Stadt den Blick weiter nach vorne.
Baubürgermeister Stephan Kühn„Wir verstehen und kennen die Sorgen der Schifffahrt. Damit die Elbe wieder befahrbar wird, treiben wir den Abriss von Zug C weiter voran. Für die weiteren Abrissarbeiten ist am Mittwoch, 12. Dezember, ein Planungsgespräch mit Experten geplant. Ziel ist es, bis Jahresende die Schifffahrtsrinne zu beräumen. Bis Ende dieser Woche wird ein akustisches Überwachungssystem an den Brückenzügen A und B so ausgeweitet, dass ein sicheres Unterfahren der noch stehenden Brückenzüge möglich sein soll.“
Das sogenannte Schallemissionsmonitoring erfasst akustisch in Echtzeit, ob es in den beiden verbleibenden Brückenzügen aktuell weitere Spannstahlbrüche gibt. Um ausreichende Sicherheit zu bekommen, muss das System bis Mitte Januar 2025 zunächst Daten erheben. Wird über diesen Zeitraum ermittelt, dass der Zustand der beiden Brückenzüge ausreichend stabil ist, wird zunächst die Schifffahrtsrinne wiederhergestellt und dann können einzelne Durchfahrten genehmigt werden.
Ersatzbau Carolabrücke: Prüfung der Rahmenbedingungen
Zugleich ist nun klar: Es braucht dringend einen Ersatzneubau für die Carolabrücke. Die Stadtverwaltung prüft daher intensiv die Rahmenbedingungen. Mit dem vorliegenden Gutachten wurde ein wichtiger Schritt gemacht. Für Anfang des kommenden Jahres ist geplant, eine Vorlage zum weiteren Vorgehen für einen Ersatzneubau in die verantwortlichen Gremien des Stadtrates einzubringen. Dabei wird auch die Einbindung der Öffentlichkeit berücksichtigt.
Die wichtigsten Erkenntnisse zum Zwischenergebnis im Überblick:
- Hauptursache für den Einsturz: Der Grund ist eine wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion durch Feuchtigkeitseintrag während der Bauphase, verstärkt durch Ermüdung der Spannstähle. Der allmähliche Ausfall von Spanngliedern führte zum Verlust der Spannkraft. So stützte sich Zug C immer mehr auf den Querträger und damit auf die benachbarten Brückenzüge. Beim Einsturz riss dieser Querträger ab.
- Einsturz nicht vorhersagbar: Es gab keine hinreichenden Anzeichen, die einen Einsturz verlässlich hätten vorhersagen können. Aufgrund konstruktiver Besonderheiten gab es keine ausgeprägte Rissbildung. Der Einsturz ist das Ergebnis eines komplexen Versagensprozesses begründet in einer Kombination langfristiger Herstellungsfehler (wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion) und auslösender Faktoren (Temperatursturz, Verkehrsbelastung).
- Gesetzliche Vorgaben eingehalten: Die Landeshauptstadt Dresden und die Prüfer haben die Vorgaben stets eingehalten. Die Carolabrücke wurde regelmäßig nach den einschlägigen Normen geprüft und Empfehlungen des Bundes zum Umgang mit Spannbetonbrücken umgesetzt. Besonderen Risiken für das Bauwerk wurde mit Sonderuntersuchungen und Dauerüberwachung begegnet.
- Schlüsselfaktor Spannstahldefekte: Über 68 Prozent der Spannglieder in der Fahrbahnplatte von Zug C waren an der Bruchstelle stark geschädigt. Das ließ sich aber im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen nicht feststellen.
- Erhalt der Züge A und B nicht möglich: Das an Zug C angetroffene Schadensbild ist auch an Zug A und B zu finden. Aufgrund bereits eingetretener Rissbildung und damit eines möglichen plötzlichen Versagens ist eine Wiederinbetriebnahme – auch temporär – ausgeschlossen. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmenden: Fußgänger, Radfahrende und den Autoverkehr.
- Schallemissionsmesstechnik: Dieses Überwachungsverfahren kann das Fortschreiten eines Schadensprozesses feststellen. Es wird zur Ermöglichung der Schifffahrt unter den Brückenzügen A und B der Carolabrücke ausgeweitet.
- Einfluss von Tausalzen: Sogenannte chloridinduzierte Korrosion hat an Brückenzug C stattgefunden, war jedoch nicht ursächlich für den Einsturz.