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https://www.dresden.de/de/rathaus/aemter-und-einrichtungen/unternehmen/stadtarchiv/archivalien-des-monats.php 28.11.2024 10:35:10 Uhr 21.12.2024 10:56:12 Uhr

Archivalien des Monats

Dezember 2024

Illustrationen zum Märchen „Der Rabenonkel“
Illustrationen zum Märchen „Der Rabenonkel“

Der Rabenonkel – ein Märchen von Victor Blüthgen mit Zeichnungen von Kurt Fiedler

Weihnachtszeit ist Märchenzeit. Die Klassiker der Gebrüder Grimm oder die russischen Märchen kennt so gut wie jedes Kind. Doch die Märchenwelt ist weit vielseitiger als gedacht. In ihr verstecken sich unbekannte Geschichten, die ebenso schön sind. Es lohnt sich, diese zu entdecken. Deshalb präsentiert das Stadtarchiv Dresden als Archivalie des Monats vier Zeichnungen zu einem weniger bekannten Märchen des deutschen Dichters und Schriftstellers Victor Blüthgen (1844–1920), die im Dezember im Lesesaal des Stadtarchivs Dresden, Elisabeth-Boer-Straße 1, zusammen mit einem Textauszug zu sehen sind.

Das Märchen „Der Rabenonkel“ erschien vermutlich erstmals in Blüthgens Werk „Hesperiden – Märchen für Jung und Alt“ im Jahr 1878. Der Künstler Kurt Fiedler (1894–1950) fertigte um 1925 dazu vier Zeichnungen an, die zusammen mit weiteren seiner Kunstwerke im Jahr 2010 den Weg ins Stadtarchiv fanden. Ob diese je im Zusammenhang mit dem Märchen publiziert worden sind, ist nicht bekannt. Gefertigt wurden die Bildchen mit Tusche und Gouache auf kleinen Kartonkarten. Die lückenhafte Nummerierung auf den Kärtchen lässt vermuten, dass es ursprünglich weitere Abbildungen gab und Fiedler eventuell die komplette Geschichte bildlich darstellte. Kurt Fiedler illustrierte unter anderem zahlreiche Publikationen für den Zirkus Sarrasani, den Dürerbund und für deutschlandweit bekannte Dresdner Verlage.

Seine Illustrationen zum Rabenonkel erzählen von einer Welt, in der einmal ein Zwergenkönig eine Braut suchte. Auf seiner langen Reise fand er schließlich ein schönes Zwergenfräulein, in das er sich sofort verliebte. Doch wie es im Märchen so ist, konnten die beiden nicht ohne Umwege und Prüfungen heiraten. So kam es, dass er krank vor Kummer wurde. Sein Gefolge machte sich große Sorgen und beschloss, die geheimnisvolle Dame zu finden. Sie dachten sich drei Wettbewerbe aus, die alle Mädchen und Frauen im ganzen Land absolvieren sollten. Sie ließen überall ausrufen, dass der König diejenige heiraten würde, „die am besten singt, die am besten springt, die der Storch am liebsten traut“. Die Nachricht erreichte auch das Zwergenfräulein, das mit ihrem Onkel hoch oben in einer steilen Felswand lebte. Sie nannte ihn „Rabenonkel“, weil er einst einen Raben zähmte und auf diesem umherfliegen konnte. Mit Hilfe des Rabenonkels gelang es dem Zwergenfräulein alle Aufgaben zu bewältigen und die Wettbewerbe zu gewinnen. Am Ende wurde groß Hochzeit gefeiert. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

Susanne Koch

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.6.3.5 Fiedler, Kurt, Nr. 64

November 2024

Wettbewerbsentwurf Rudolf Kolbes für die Heilandskirche in Cotta, veröffentlicht in den Dresdener Künst-lerheften von 1909
Wettbewerbsentwurf Rudolf Kolbes für die Heilandskirche in Cotta, veröffentlicht in den Dresdener Künst-lerheften von 1909

Der Traum von der eigenen Kirche - Ein Geduldsspiel für die Gemeinde Cotta

Anfang der 1890er Jahre wächst in der Dorfgemeinde Cotta der Wunsch nach Eigenständigkeit. Offiziell gehört die kleine evangelische Gemeinde zum Kirchspiel Briesnitz, doch seit 1893 werden regelmäßig eigene Gottesdienste in der Turnhalle der Volksschule Cotta veranstaltet. Die Ortschaft und ebenso die Kirchgemeinde gewinnt stetig an Zuwachs und es wird immer deutlicher, dass eine Schulturnhalle kein dauerhafter Veranstaltungsort sein kann.

Eine Kirche muss her. Ein Blick auf die vorhandenen Mittel zerschlägt diesen Traum jedoch schnell wieder. 1895 entsteht als Übergangslösung die kleine Interimskirche der Gemeinde und wenige Jahre später ist auch der Schritt in die Selbstständigkeit vollbracht: die Parochie Cotta spaltet sich 1896 endgültig vom Kirchspiel Briesnitz ab. Während die neue Kirchgemeinde gedeiht, werden im Hintergrund finanzielle und räumliche Vorbereitungen für den gewünschten Kirchenbau getroffen. 1908 kommt der Kirchenvorstand auf die Idee, einen Wettbewerb unter den Dresdner Architekten zu veranstalten, um einen geeigneten Entwurf zu finden. Es kommt zu einer regen Teilnahme am Wettbewerb. Nicht weniger als 68 Entwürfe werden eingereicht, darunter auch einer des Architekten Rudolf Kolbe. Im April 1909 verkünden die Preisrichter drei Sieger des Wettbewerbs. Der erstplatzierte Entwurf stammt von Fritz Schumacher, doch auch weitere Entwürfe werden dem Vorstand der inzwischen in Heilandsparochie umbenannten Kirchgemeinde zum Ankauf empfohlen.

Schnell wird erkenntlich, dass der Entwurf Fritz Schumachers mit den vorhandenen Mitteln unmöglich realisierbar sein wird. Auch weitere Abwägungen verzögern den Entschluss, doch 1912 wird letztendlich der inzwischen leicht veränderte Entwurf Rudolf Kolbes zur Ausführung gewählt. Zwei Jahre später beginnt der lang herbeigesehnte Kirchenbau. Wenige Monate nach Baubeginn jedoch bricht der Erste Weltkrieg aus und der Kirchenvorstand sieht sich gezwungen, den Bau auszusetzen. So wird aus der Heilandskirche noch vor Fertigstellung eine Kirchenruine. Elf Jahre lang muss die Gemeinde warten und hoffen, denn die ursprünglichen Baufonds sind erloschen und die Nachkriegszeit treibt die Materialpreise in die Höhe, gefolgt von der Inflation der 1920er Jahre.

Doch die Treue der Gemeinde und des Architekten Rudolf Kolbes zu der gemeinsamen Sache zahlt sich aus. Durch finanzielle Unterstützung verschiedener Interessengruppen wird der Bau 1925 wieder aufgenommen, wenn auch nun aufgrund der veränderten Umstände in schlichterer Gestalt. Ohne größere Unterbrechungen braucht es nun nur noch zwei Jahre, bis die Heilandskirche am Himmelfahrtstag dem 26. Mai 1927 geweiht wird.

Theresa Jäger

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Bibliothek, Z.237

Oktober 2024

Das „Nürnberger Ei“ im Sommer 1963, Fotograf unbekannt
Das „Nürnberger Ei“ im Sommer 1963, Fotograf unbekannt

Das „Nürnberger Ei“ - Eine Wohngebietsgaststätte für den Dresdner Süden

Mitte der 1950er Jahre wurde das kriegszerstörte Gebiet um die Nürnberger Straße neubebaut. Im Rahmen eines Sonderprogramms für Bergarbeiter der Wismut entstanden hier dringend benötigte Wohnungen mitsamt dazugehörigen Einkaufsmöglichkeiten – wie beispielsweise Läden für Lebensmittel, Bekleidung sowie für sonstige Waren des täglichen Bedarfs – und eben einer Speisegaststätte, dem „Nürnberger Ei“, am westlichen Ende des gleichnamigen Platzes. Am 1. Oktober 1958 wurde die von der staatlichen Handelsorganisation (HO) betriebene Gaststätte beziehungsweise Versorgungseinrichtung, wie es im zeitgenössischen Sprachgebrauch auch hieß, eröffnet. Sie war großzügig und sachlich modern eingerichtet und machte durch ihr Äußeres mit Terrasse und bodentiefen Fenstern einen einladenden Eindruck. Als eine der größeren Gaststätten im Stadtgebiet bot sie Platz für 250 Gäste sowie einen Versammlungsraum für 60 Personen.

Keineswegs sollten jedoch nur Speisen zur Mittags- und Abendzeit zum dortigen Verzehr angeboten werden. Die Einrichtung erfüllte noch eine weitere Funktion. Um nämlich die berufstätige Frau zu entlasten, konnte „preiswertes und geschmackvolles Essen in Trägern“ mit nach Hause genommen werden, wie ein Artikel der Sächsischen Zeitung zur Eröffnung mitteilte. Abseits dessen kehrte man hier natürlich auch gern nach Feierabend ein. Für die Menschen der umliegenden Häuser hatte das „Nürnberger Ei“ also einen vielfältigen Nutzen.

Ein Blick auf die Speisenkarte verrät, was damals gern gegessen wurde: deftige, nahrhafte, kalorienreiche, fleischbasierte Hausmannskost wie Schnitzel, Steak, Gulasch, Roulade, Sauerbraten und Geschnetzeltes. Als Vorspeisen gab es wahlweise Soljanka, Tomaten- oder Zwiebelsuppe, danach Vanilleeis. Für 20 bis 30 Mark konnte sich eine vierköpfige Familie satt essen.

1992 kam es zum Abriss der Gaststätte zugunsten eines achtstöckigen Bürohauses. Zwar wurde Neues geschaffen, es verschwand aber damit sowohl ein ins bauliche Umfeld passendes Stück Architektur der 1950er Jahre, als auch ein bis dahin beliebter Treffpunkt und eine Einkehrmöglichkeit für die Anwohner.

Patrick Maslowski

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt, Bildstelle, II9190

September 2024

Werbeprospekt der Dresdner Schulbankfabrik A. Lickroth & Cie.
Werbeprospekt der Dresdner Schulbankfabrik A. Lickroth & Cie.

 „110 Stück Schulbänke Modell B für hiesige Schule zu liefern“. Die Dresdner Schulbankfabrik A. Lickroth & Cie.

Vor wenigen Wochen hat das neue Schuljahr begonnen. Während der Sommerferien standen die Schulgebäude verlassen, und die Zeit wurde genutzt, um notwendige Reparaturen durchführen und abgenutztes Mobiliar auszutauschen. Dazu hätte sich vor einhundert Jahren der Schulvorstand möglicherweise an die Dresdner Schulbankfabrik A. Lickroth & Cie. gewandt, deren Geschäftsempfehlung aus dem Jahr 1926 unsere Archivalie des Monats September ist.

Um 1910 war für die Ausstattung von Klassenzimmern vielfältiges Inventar zu beschaffen: Schulbänke unterschiedlicher Größe mit zwei oder vier Sitzen, ein Katheder mit Wandtafel für die Lehrkraft, Lese- und Rechenmaschinen, Schränke, ein Waschtischchen, Rahmen für Stundenpläne, Papierkörbe, Thermometer und stets auch ein Eimer mit Deckel. In den Jahren 1906 bis 1912 fertigte die Firma Lickroth unzählige Schulbänke für die Schule in Laubegast. Im Bestand des Stadtarchivs sind dazu neben Werbeprospekten mehrere Aufträge des Schulvorstands und Kostenanschläge der Firma überliefert. Für eine Schulbank waren ungefähr 16,50 Mark zu veranschlagen. Besonders bemerkenswert ist ein Großauftrag für die Lieferung von 110 Schulbänken, für die das Unternehmen eine Rechnung über 2.605 Mark ausstellte.

Die Ursprünge des Unternehmens A. Lickroth & Cie. lagen in Frankenthal in Rheinpfalz, einem bedeutenden Zentrum der Metallverarbeitung. Die Gründe, die Herrn Lickroth bewogen, beim Rat zu Dresden im Jahr 1885 den Antrag auf eine Gewerbeerlaubnis für eine Schulbankfabrik einzureichen, gehen aus seinem knapp formulierten Schreiben nicht hervor. Den Briefkopf schmückten die Abbildungen unzähliger Prämien, Medaillen und Auszeichnungen, die das Unternehmen bereits seit 1870 regelmäßig bei Messen und Ausstellungen gewonnen hatte.

Die Dresdner Niederlassung war erfolgreich, und im August 1897 beantragte A. Lickroth & Cie. eine Baugenehmigung für die Errichtung eines großen Fabrikgebäudes in der Bismarckstraße 57 in Niedersedlitz, mit zahlreichen Nebengelassen für Sägewerk und Schlosserei sowie Schuppen, Pferdeställe, Trockenkammer und Holzlager.

Die Firma A. Lickroth & Cie. stattete nicht nur Schulen aus, sondern sorgte auch für die gesamte Bestuhlung des 1926 eröffneten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dresdner Planetariums. Das Fabrikgebäude in der Bismarckstraße 57 ist bis zum heutigen Tag erhalten, und die Möbelherstellung wurde dort viele Jahrzehnte lang weiterbetrieben.

Claudia Richert

Quelle: 17.4.1 Drucksammlung bis 1945, Nr. 277

August 2024

Blick von der Johann-Meyer-Straße auf die Gartenkolonie „Rudolphia“ an der Bahntrasse Gutschmidstraße mit Blick auf die Petri-Kirche um 1916.
Blick von der Johann-Meyer-Straße auf die Gartenkolonie „Rudolphia“ an der Bahntrasse Gutschmidstraße mit Blick auf die Petri-Kirche um 1916.

„von Kaninchen und Ziegen in der Budenstadt“. Schrebergärten in Dresden vor 1900

Im Juni 2024 wurde der Kleingartenverein „Dresden West“ im Stadtbezirk Cotta von der Stadt Dresden gemeinsam mit dem Stadtverband „Dresdner Gartenfreunde e.V.“ als schönste Anlage 2024 gekürt. Ziel dieses Wettbewerbs ist es, dass Kleingartenwesen als Dresdner Grün- und Freiraumsystem mit seinen sozialen, ökologischen und städtebaulichen Funktionen zu unterstützen. Anfang des 20. Jahrhunderts, im Jahr 1909, schrieb der „Verein zur Förderung Dresdens und des Fremdenverkehrs“ gemeinsam mit der Stadt Dresden das erste Preisausschreiben zur „Verbesserung und Verschönerung der Schrebergärten in Dresden“ aus. Es konnten sich ganze Gartenkolonien und einzelne Gärten dafür bewerben. Die Preisrichter interessierte vordergründig, wie die Gesamtanlage und die Lauben gestaltet wurden. Eine Bewertung über die Art der Bepflanzungen und vor allem die Art der Einfriedung folgte im zweiten Schritt. Der „Dresdner Anzeiger“ kommentierte diesen Wettbewerb als besonders notwendig, denn die meisten Gärten wurden vom Zeitungsblatt als „unordentliche Budenstadt“ beschrieben. Ein Jahr später forderten die Haus- und Grundstücksbesitzern die Stadt Dresden auf, ein „Verbot des Tierhaltens in den sogenannten Schrebergärten“ durchzusetzen. Von ungefähr 5056 Schrebergärten hielten ca. 1267 Gärten Tiere, die aus Sicht der Beschwerdeführer für eine massive Geruchs- und Lärmbelästigung verantwortlich waren. In einem Großteil der Schrebergärten konnten zeitweise Hühner, Tauben, Enten, Gänse, Kaninchen, Ziegen und sogar Schweine gehalten werden. Insbesondere für die von Armut betroffene Dresdner Bevölkerung galt sowohl die Tierhaltung als auch der Gemüse- und Obstanbau in den

Gärten als lebensnotwendig. Zu dem Zeitpunkt existierten in Dresden noch keine Vorschriften für Gartenkolonien. Hauptsächlich wurden diese auf privaten Boden und nicht auf städtischen Grundstücken angelegt. Erst im Jahr 1911 gründete sich zur Stärkung der Schrebergarten-Gemeinschaft der Verband „Dresdner Garten- und Schrebervereine“ in der sächsischen Metropole. Im Jahr 1919 beschloss die Deutsche Nationalverfassung die „Kleingarten- und Kleinpachtordnung“, die erstmals eine Rechtsgrundlage bezüglich der Schrebergärten schaffte und den Bau der städtischen Kleingartenkultur förderte.

Das erste Preisausschreiben für die schönste Gartenkolonie im Jahr 1909 gewann die Kolonie „Rudolphia“ an der Ecke Johann Meyer- und Buchenstraße mit 69 Gärten. Um weiterhin auf die Verschönerung und Verbesserung der Laubenkolonien hinzuführen, erfolgte in den darauffolgen Jahren ein jährlich ausgeschriebener Wettbewerb um die schönsten Schrebergärten in Dresden.

Annemarie Niering

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.2 Stadtplanungsamt Bildstelle, VIII124, Fotograf unbekannt, um 1916.

Juli 2024

Historische Postkarte mit Blick auf das Römische Bad und Schloss Albrechtsberg, um 1878. Texte auf der Karte: Oben: Herausgeb. Dresdner Architektnverein. Unten: Hofbaurath Lohse
Blick auf das Römische Bad und Schloss Albrechtsberg, um 1878

Vom Freibad zum Kulturdenkmal. Das Römische Bad von Schloss Albrechtsberg

Schloss Albrechtsberg - ehemaliger Wohnsitz Albrechts von Preußen - wurde 1854 umgeben von einem englischen Park und einem aufwendigen Terrassensystem fertiggestellt. Inspiration für den Architekten Adolf Lohse war die griechische und römische Antike sowie die italienische Renaissance. Obwohl die ursprüngliche Planung Lohses aus räumlichen und finanziellen Gründen nicht in ihrer Vollständigkeit umgesetzt werden konnte, blieb ein architektonisch bedeutender Bestandteil seines Konzepts bestehen: Zur Elbseite des Schlosses gelegen findet sich als Teil des Terrassensystems das Römische Bad von Schloss Albrechtsberg.

1925 ging das Grundstück in den Besitz der Stadt Dresden über, welche einige Jahre später den Park für die Allgemeinheit zugänglich machte. Bis in die 1950er Jahre erfreute sich die Parkanlage großer Beliebtheit. Dann jedoch fand sich ein anderer Nutzen für das Grundstück. Nach sowjetischem Vorbild wurden Gebäude und Außenanlagen zum Pionierpalast „Walter Ulbricht“ umfunktioniert – einem Freizeitzentrum für Kinder. In dieser Zeit wurde das Römische Bad sogar vorübergehend als öffentliches Bad genutzt.

Die Nutzung aber auch die Zeit selbst hinterließen ihre Spuren an der Konstruktion. Seit den 1950er Jahren wurden am Terrassensystem des Schlosses und am Römischen Bad selbst vermehrt Bau- und Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Seit das Schloss, die Parkanlage sowie das Terrassensystem 1977 zum Denkmal von nationaler Bedeutung erklärt wurden, liegt der Fokus jedoch auf der Wiederherstellung und dem Erhalt der baulichen Struktur, da es sich um ein in Deutschland einzigartiges und architektonisch wertvolles Bauwerk sowie ein Kulturdenkmal handelt.

Derzeit wird dieses Bemühen fortgesetzt. Im Frühjahr 2023 wurde die Planung fundamentaler Instandsetzungsarbeiten am Römischen Bad aufgenommen und im März 2024 begannen die Baumaßnahmen. Das von Stadt, Land und Bund gemeinsam gestützte Projekt sieht eine Bauperiode von drei Jahren vor, die darauf abzielt, das Römische Bad in seiner historischen Form wiederherzustellen. Hierzu können alle interessierten Bürgerinnen und Bürger ihren Beitrag leisten. Der aktuelle Spendenaufruf der Stadt Dresden richtet sich an alle, die persönliche Erinnerungen mit dem Römischen Bad verbinden, die ein wertvolles Stück Dresdner Architektur erhalten sehen wollen und den kulturellen Wert eines geschichtsträchtigen Bauwerks zu schätzen wissen.

Theresa Jäger

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 12.10.17 Präsentationsmappen Sächsischer Architekten, Nr. 109

Juni 2024

Skizze des König-Johann-Denkmals gezeichnet von Prof. Dr. Johannes Schilling, circa 1884.
Skizze des König-Johann-Denkmals gezeichnet von Prof. Dr. Johannes Schilling, circa 1884.

Ein Denkmal für die Ewigkeit. Das König-Johann-Denkmal auf dem Theaterplatz

Den ab 1840 neu gestalteten Theaterplatz sollte mittig ein Denkmal schmücken. Zunächst kam die Idee auf, das Ehrenmal von König Friedrich August I. aus dem Zwingerhof auf den Platz vor die Semperoper umzusetzen. Dies stieß jedoch auf Widerstand und der Platz blieb einige Zeit leer. Erst nach der Neuerrichtung der Semperoper wurde der Gedanke wieder aufgegriffen. Dieses Mal fiel die Wahl auf den sächsischen König Johann (1801–1873). Für ein solches Projekt waren jedoch Gelder nötig – genauer gesagt 286.000 Mark. Dem Aufruf des Landescomités für das König-Johann-Denkmal, vertreten durch den Oberbürgermeister Dr. Alfred Stübel, zum Sammeln von Spenden für die Errichtung des besagten Denkmals im Jahr 1881 folgten viele Bürger und Bürgerinnen Dresdens und Sachsens. Anfänglich fielen die Geldzuwendungen eher gering aus. Doch nach einer Zugabe des Sächsischen Finanzministeriums konnte schließlich 1884 ein Vertrag zwischen dem Bildhauer Prof. Dr. Johannes Schilling und dem Landescomité geschlossen werden. Schilling schlug ein sechs Meter hohes Reiterstandbild aus Bronze vor, das auf einem Sockel stehen sollte. Er verpflichtete sich vertraglich, innerhalb von drei Jahren alle Zeichnungen sowie architektonischen und figuralen Modelle aus Bronze zu liefern sowie die Leitung und Überwachung der Arbeiten zur Anfertigung und Aufstellung zu übernehmen. Da er jedoch erst 1888 fertig wurde und sich verschiedene Änderungen der Maße ergeben hatten, beauftragte man die Dresdner Architekten Karl Weißbach und Karl Barth mit der Fertigstellung der Basis nach den Zeichnungen Schillings. Eine dieser Skizzen ist unsere Archivalie des Monats, die im Juni im Lesesaal des Stadtarchivs Dresden, Elisabeth-Boer-Straße 1, mit einigen anderen Unterlagen zu sehen ist.

Am 18. Juni 1889 fand im Rahmen der 800-Jahr-Feier der Wettiner die Enthüllung des König-Johann-Denkmals statt. Im Festprogramm, welches das Stadtarchiv ebenfalls aufbewahrt, wird der Beginn »gemäß Allerhöchsten Befehles um 3 Uhr Nachmittag« angekündigt. Nach einem Festgesang und einer Rede von Oberbürgermeister Dr. Stübel wurde unter Ehrenerweisung der aufgestellten Ehrencompagnie des I. (Leib-)Grenadierregiments, Glockengeläut und dem Salut der am rechten Elbufer aufgestellten Batterie (101 Schuss) das Denkmal enthüllt. Als erstes durften die »Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften« das Monument zur Besichtigung umrunden. Der Festplatz blieb vom Museum bis zum Schloss und der Katholischen Hofkirche während der Zeremonie für den allgemeinen Verkehr gesperrt. Zutritt über die Ostraallee durch den Zwinger erhielten nur Ausgewählte mit einer Eintrittskarte. Der nördliche Teil des Theaterplatzes blieb offen.

Das Ehrenmal überstand einige kritische Zeiten wie die Bronzesammelaktionen im Zweiten Weltkrieg und die Bombenangriffe im Februar 1945. Als Übersetzer von Dantes „Göttliche Komödie“ genoss der sächsische König eine hohe künstlerische Anerkennung, die seine Gedenkstätte vor dem Abbau in der DDR bewahrte. So thront er seit bereits 135 Jahren nahezu unbeschadet und seit 2013 saniert in der Mitte des Theaterplatzes.

Susanne Koch

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 2.1.6 Ratsarchiv, Hauptgruppe G, Nr. G.XXXV.b.18 Bd. 5

Mai 2024

Plakat zum „Tag des Freien Buches“
Plakat zum „Tag des Freien Buches“

Wertschätzung und Gedenken an die Flammen. Der Tag des (freien) Buches im Lauf der Geschichte

In Deutschland erstmals 1929 abgehalten, wurden Jahrestage im Zeichen des Buches in den vergangenen 100 Jahren nicht nur an mehreren Daten im Kalender, sondern auch unter ganz verschiedenen Anzeichen durchgeführt.

Im Jahr 1929 wurde der erste „Tag des Buches“ durch den Börsenverein der Deutschen Buchhändler initiiert. Nach dem Vorbild Spaniens, wo diese Veranstaltung an Cervantes‘ Geburtstag stattfand, wählte man Goethes Todestag aus. Der Tag des Buches sollte durch Vorträge, Ausstellungen und Veranstaltungen die Situation „des guten Buches“ in der Öffentlichkeit darstellen und dem Buch als „vornehmsten Mittler deutschen Geistesgutes“ nicht nur wieder „die ihm gebührende Verbreitung und Wertschätzung in allen Volkskreisen“ verschaffen, sondern auch „unerfreulichen Anzeichen zunehmender Entgeistigung und Verflachung“ entgegentreten.

Während die zentrale Veranstaltung in Berlin erfolgte, wurden daneben örtliche Kundgebungen ins Leben gerufen, die „die Bewegung […] bis in die kleinste Gemeinde“ trugen. Im Dresdner Schulamt sprachen Vertreter des Arbeitsausschusses für Sachsen vor und baten um Überlassung des Festsaales im Neuen Rathaus sowie einen Zuschuss in Höhe von 800 RM zur Deckung der Unkosten für die am Abend des 22. März geplante Feier. Der Nutzung des Festsaales wurde zugestimmt und ein Zuschuss in Aussicht gestellt. Zahlreiche Redner wurden gewonnen zu Themen wie etwa Buch und Jugend, Buch und arbeitendes Volk, Buch und Presse. Künstlerische Darbietungen Erich Pontos sowie der Orchesterschule umrahmten die Feier. Zu der Veranstaltung sollte jedermann freien Eintritt erhalten. Wie der Dresdner Anzeiger am nächsten Tag berichtete, war der Festsaal schon lange vor der festgesetzten Zeit überfüllt, und obwohl auch noch die Nachbarräume geöffnet wurden, mussten zahlreiche Kommende unverrichteter Dinge wieder heimkehren.

Nur vier Jahre später, am 10. Mai 1933, wurden Bücher nicht länger gewürdigt, sondern öffentlich verbrannt. Dieses Ereignis prägte die Geschichte nachhaltig. Bereits im Jahr darauf begründete der Schriftsteller Alfred Kantorowicz gemeinsam mit anderen deutschen Autoren am 10. Mai 1934 in Paris eine Bibliothek der verbrannten Bücher, die so genannte Deutsche Freiheitsbibliothek. Im Jahr 1947 proklamierten Vertreter aller vier Besatzungsmächte den 10. Mai zum „Tag des Freien Buches“. Durch die Ereignisse des Kalten Krieges verlor das gemeinsame Gedenken jedoch an Bedeutung. Nur in der DDR blieb dieser Gedenktag bis zum Schluss erhalten. Seit 1995 findet immer am 23. April der Welttag des Buches statt.

Claudia Richert

Quellen: 17.2.17 Sammlung Manfred Lotze, Sign. 577; 2.3.1 Hauptkanzlei, Sign. 2

April 2024

Stadtarchiv Dresden, 18 Bibliothek, Hist. Dresd. 2295.
Die Klöppelstube in der Textilausstellung 1924

Klöppeln, weben und Teppich knüpfen. Die Textilausstellung 1924 in Dresden

Vor fast genau 100 Jahren öffnete am 31. Mai 1924 die „3. Jahresschau Deutscher Arbeit“ auf dem Ausstellungsgelände an der Lennéstraße ihre Pforten. Die Ausstellung widmete sich mit der Textilbranche einem für Sachsen wichtigen Wirtschaftszweig. Für die Besucher, egal ob Laie oder Textilfachkundiger, gab es mehrere thematische Bereiche für den Rundgang. Zu Beginn erwartete die Gäste ein Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Textilherstellung und daran anschließend konnte man sich über Bekleidungstextilien informieren. In dieser Halle der Textilstoffe erhielten die Besucher einen Eindruck von der Verarbeitung des Rohgarns bis zum Kleiderstoff, Teppich oder Kunststickerei.

Als weiteren Themenschwerpunkt wurden die gegenwärtigen Fabrikationszweige gezeigt und die technischen Neuerungen bei der Maschinenproduktion besprochen. In diesen Hallen ging es vornehmlich um die Textilveredelung, wie Bleichen, Färben und Bedrucken. Hier stand der Veredelungsprozess im Vordergrund, der entweder mitten im Herstellungsprozess oder nach der Vollendung einsetzte. Die Herstellung von Fasern aus chemischer Erzeugung erlangte auf der Ausstellung großen Zuspruch. Einen ebenso bleibenden Eindruck hinterließ die „schöne Ausstellung der Firmen des Oberlausitzer Webereiverbandes“ wie auch die Klöpplerinnen in der Erzgebirgischen Klöppelstube.

144 Aussteller, wovon 101 aus Sachsen kamen, zeigten ihre Produkte oder Fertigkeiten dem interessierten Publikum. Im Zeitraum von Juni bis September zählten die Veranstalter circa 750.000 Besucher auf dem Ausstellungsgelände. Sogar Reichspräsident Friedrich Ebert stattete der Textilausstellung seinen Besuch ab, als er in Dresden war. Die Textilausstellung im Frühjahr 1925 wurde im Nachgang als großer Erfolg gefeiert.

Marco Iwanzeck

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 18 Bibliothek, Hist. Dresd. 2295.

März 2024

Die Großmarkthalle an der Weißeritzstraße, Postkarte um 1910
Die Großmarkthalle an der Weißeritzstraße, Postkarte um 1910

Landwirtschaftlicher Großhandel in Dresden. Die Großmarkthalle in der Friedrichstadt

Lebensmittelmärkte wurden lange Zeit im Freien abgehalten. Im 18. Jahrhundert entstanden vermehrt Markthallen, um witterungsbedingte, den Handel hemmende Einflüsse auszuschließen sowie aus hygienischen Gründen. Außerdem musste man zunehmend den Bedürfnissen der schnell wachsenden Stadt gerecht werden.

In Dresden geschah das Ende des 19. Jahrhunderts, als 1888 ein von den städtischen „Körperschaften“ gefasster Beschluss die Errichtung von insgesamt drei großflächigen Markthallen vorsah: eine für den Großhandel und zwei für den Kleinhandel, eine links-, die andere rechtselbisch. Schließlich wurde am 15. Juli 1893 die Halle auf dem Antonsplatz eröffnet. Am 9. Dezember 1893 begann die Großmarkthalle, auch Hauptmarkthalle genannt, an der Weißeritzstraße und am 7. Oktober 1899 die Neustädter Markthalle mit dem Verkauf. Mit deren Etablierung ging die Einstellung der bis dahin üblichen offenen Wochenmärkte auf dem Antonsplatz, dem Altmarkt sowie dem Neustädter Markt einher. Einzig derjenige auf dem Hohlbeinplatz verblieb.

Das repräsentative Gebäude der Hauptmarkthalle mit ihrem 30 Meter hohen Uhrturm, teilweise errichtet über dem zwischen 1891 und 1893 verlegten Flussbett der Weißeritz, war technisch auf dem neuesten Stand. Im Inneren des unterkellerten und über eine Galerie verfügenden Baus gab es beispielsweise elektrische Lastenaufzüge sowie eine moderne Kühl- und Gefrieranlage. Durch das Mittelschiff verlief eine Hauptdurchfahrtsstraße für Lastfuhrwerke. Den logistisch wohl größten Nutzen brachte der Gleisanschluss mit Laderampe und Güterboden. So konnten Eisenbahnwagons zügig entladen und die landwirtschaftlichen Produkte in der Halle eingelagert oder sogleich in Güterstaßenbahnwagen verladen werden. Gehandelt wurden im großen Maßstab landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Fleisch, Fisch, Grünwaren, Obst, Blumen, Butter, Eier und Kartoffeln. Auf der sogenannten „Insel“ vor der Markthalle, entlang der Weißeritzstraße drängten sich derweil die vielen Klein- und Zwischenhändler, die dafür sorgten, dass die Waren den Einzelhandel und die Gastronomie erreichten.

Die teilweise Zerstörung der Markthalle im Jahr 1945 führte zu großen Problemen. Besonders die Wiederherstellung der Dachkonstruktion, der Kühl- und Gefrieranlagen, der Aufzüge und der Verglasung dauerte mehrere Jahre. Aber schon im September 1945 war es gelungen, den Großmarkt provisorisch wieder in Gang zu bringen. Die Bedeutung der Großhandelshalle blieb bis zum Ende der DDR bestehen, täglich wurden hier Züge entladen. Seit 1990 werden in ihr keine Lebensmittel mehr gehandelt.

Patrick Maslowski

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.6.1 Ansichtskarten, Nr. SH 014.

Februar 2024

Zeitungskopf des Wochenblattes „Leipzig-Dresdner-Eisenbahn“ aus dem Jahr 1842
Zeitungskopf des Wochenblattes „Leipzig-Dresdner-Eisenbahn“ aus dem Jahr 1842

„Die Leipzig-Dresdner-Eisenbahn“. Ein Wochenblatt zwischen Technikbegeisterung und -skepsis.

Die öffentliche Aufmerksamkeit, welche die im Jahre 1839 eröffnete erste europäische Ferneisenbahnlinie zwischen Dresden und Leipzig erregte, muss enorm gewesen sein. Nicht nur die einschlägige Reiseliteratur rückte die entstandenen Bahnhofsanlagen rasch unter die Top-Fünf der Dresdner Sehenswürdigkeiten. Auch das sich seinerzeit ausdifferenzierende lokale und überregionale Pressewesen fand hierin seit der Projektierungsphase und bis in die ersten Betriebsjahre hinein ein wachsendes Lesepublikum. Dieses räsonierte mitunter euphorisch über die humanen Fortschrittsmöglichkeiten der Dampfeisenbahn. Es beklagte teils das nahe Ende ruhiger, beschaulicher Lebenswelten oder mahnte gar vor einem möglichen Missbrauch nunmehr entfesselter technischer Potentiale. Zum breiten öffentlichen Diskurs gesellten sich literarische, poetische und satirische Reflektionen zum „eisernen Dampfross“ als neuen Fortschrittssymbol.

Der mediale Markt begann bald auf diesen geschäftsförderlichen Trend zu reagieren. Journalisten befeuerten ihn mit Inhalten und Verleger begannen thematisch spezialisierte Zeitschriften herauszugeben. Neben der „Erzgebirgischen“ und der „Pönickischen Eisenbahn“, erschienen Blätter mit dem Titel „Dampfwagen“ oder „Komet“ - nach einer seinerzeit populären Leipziger Lokomotive.

Die von 1839 bis 1843 beim Leipziger Verleger und Redakteur N. Büchner erscheinende „Leipzig-Dresdner-Eisenbahn“ trug den Untertitel „Ein Wochenblatt für Deutschland“ und spielte auch in ihrer inhaltlichen Strukturierung humorvoll mit Eisenbahnmetaphorik. Dabei hielten sich unterhaltsame, intelligente und nachdenkliche Stimmen durchaus die Waage. Mit kritischen Tönen wurden etwa die miserablen bis gefährlichen Reisebedingungen für die ärmsten Bevölkerungsteile in offenen „Kälberwagen“ kommentiert, das Einziehen der Pässe vor Fahrtantritt oder das Abschließen der Wagons. Daneben wurden Vorschläge für mehr Betriebssicherheit diskutiert.

Besonders beflügelte die neue Bahntechnik weitere Fortschrittsphantasien darüber, wie Maschinen die Welt künftig weiter verändern könnten. In der Ausgabe vom 17. November 1841 formulierte ein Beitrag Gedanken, die man aus heutiger Sicht durchaus als hellsichtig bezeichnen könnte: Die Erfindung der Eisenbahn verkleinere die Erde. Geografie könne man nunmehr nicht nur aus Büchern, sondern zugleich auch Vor-Ort studieren. Maschinen könnten Tag und Nacht für die Menschen arbeiten, ganze Städte in Kürze erbauen, Häuser in einem Guss erstellen sowie fertig gedruckte Bücher und Zeitungen hervorbringen, Briefe und Buchführungen automatisiert erledigen, die Felder von selbst pflügen und den Menschen „Engeln gleich“ das Fliegen ermöglichen. Dass sich mit dem Fortschrittssymbol Eisenbahn bald auch sprichwörtliche „Höllenfahrten“ planen und durchführen ließen, zeichnete sich schon früh nach deren Erfindung ab. Bereits 1842, nur wenige Jahre nach Eröffnung der Strecke, erschienen erste militärstrategische Publikationen, wie etwa „Die Eisenbahnen und ihre Bedeutung als militärische Operationslinien“ von Karl Eduard Poenitz. Dessen Theorien sollten schon 1849 praxisrelevant werden, als es galt, Preußische Truppenverstärkung zur Niederschlagung des Maiaufstandes zügig nach Dresden zu mobilisieren. Gut einhundert Jahre später war die Eisenbahn, einstige Hoffnungsträgerin menschlichen Fortschritts, auch zu einem zentralen Instrument nicht nur militärischer Truppen- und Rüstungsgüterbewegungen zweier Weltkriege geworden. Sie bildete auch die Infrastruktur für die Planung und Umsetzung der massenhaften Vertreibungen, Deportationen und Vernichtungen von Menschen im 20. Jahrhundert.

Dr. Stefan Dornheim

Quelle: Stadtarchiv Dresden, Bestand Bibliothek/Zeitungen Z. 272

Januar 2024

Seite aus dem Winterkatalog des Sportkaufhauses Hermann Mühlberg in Dresden
Seite aus dem Winterkatalog des Sportkaufhauses Hermann Mühlberg in Dresden

Das fröhlich frische Wintervergnügen

Sobald die ersten Schneeflocken fallen und liegen bleiben, ziehen Kinder wie Erwachsene auf die Rodelhänge, um mit ihren Schlitten die Hänge herunterzufahren. Das winterliche Rodeln ist nach wie vor ein sehr beliebtes Freizeitvergnügen. Auch der professionelle Rodelsport erfreut sich großer Beliebtheit. Am Ende des 19. Jahrhunderts war das Rodeln noch das bescheidene Wintervergnügen der Alpenbewohner. Doch schon wenige Jahre nach der Jahrhundertwende trat der Rodelsport einen wahren Siegeszug an. Dies lag wohl vor allem daran, dass kein anderer Sport so leicht erlernbar war und gleichzeitig so viel Freude bereitete. Man benötigte nur das richtige Equipment.

Auf diesen Winterspaß hatte sich in Dresden ganz besonders das Kaufhaus Hermann Mühlberg eingestellt und gab für die kalte Jahreszeit einen eigenen Katalog für Wintersport und Touristik heraus. Somit konnten die Dresdnerinnen und Dresdner alles Notwendige für ihre Freizeitgestaltung besorgen. Auf zwölf Katalogseiten wurden die verschiedensten Schlitten, Rodel, Bobsleighs und Skeletons angeboten. Der größte Teil des Sortiments umfassten die typischen Rodel, die auch heute noch sehr beliebt sind. Die Davoser-, Tiroler- oder Alpenrodel gab es in unterschiedlichen Varianten und Preisklassen. Es gab Holz- oder Stahlrohrschlitten in der Ausführung mit ein, zwei oder drei Sitzen. Das Kaufhaus hielt aber auch Sondervarianten vor. Einige Modelle besaßen eine Klappfunktion, um den Rodel auf dem Rücken tragen zu können. Andere waren mit einem Lenkrad wie bei einem Automobil ausgestattet.

Da das Rodeln noch eine junge Sportart war, gab es im Katalog auch eine Handlungsanweisung für unerfahrene Piloten, denn eine gewisse Technik ist unerlässlich. So sollten die ersten Versuche bei höchstens zehn Prozent Gefälle und wenig Kurven ausgeführt werden. Die richtige Sitzposition, also weit hinten sitzen, den Oberkörper zurückneigen und die Füße fest anlegen, sei einzuhalten. Mit den Füßen wird gelenkt und gebremst, wobei der Bremsvorgang durch das Hochreißen des Schlittens unterstützt wird. Als Sicherheitshinweis galt, dass bei einem eigenen Sturz die Bahn schnellstens mit dem Rodel verlassen wird. Dahingehend hat sich bis heute wenig geändert.

Marco Iwanzeck

Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.4.1 Drucksammlung, Nr. 278/2