Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de https://www.dresden.de/de/leben/gesellschaft/migration/aktuelles/interkulturelle-tage/interviewserien/folge-4-2017.php 25.09.2019 14:37:20 Uhr 23.11.2024 22:15:04 Uhr |
Interview-Serie 2017
"Vielfalt gemeinsam gestalten! Wer steckt dahinter?"
Folge 4 - Drei Fragen an Tamine Maklouf Carvalho
Das Ende der Serie macht Frau Tamine Maklouf Carvalho. Sie hat zusammen mit anderen brasilianischen Eltern die Initiative „Deutsch-brasilianische Kinder aus Dresden" initiiert.
Warum ist es wichtig, bei den Interkulturellen Tagen mitzumachen?
Die Interkulturellen Tage und ähnliche Initiativen helfen uns Ausländern dabei, unsere Heimat erlebbar für andere zu machen. Wir vermissen unsere Heimat, unsere Sprache und unsere Kultur sehr. Indem wir es schaffen, unsere Heimat hier in Dresden lebendig zu halten, haben wir die nötige Ruhe, um uns neu erfinden zu können. Durch gemeinsame Aktionen schaffen wir es, uns einzuleben und eine zweite Heimat aufzubauen.
Beispielsweise fehlte uns brasilianische Live-Musik in Dresden – zum Hören und Tanzen. So kam es dazu, dass wir anfingen, verschiedene Musikevents und Veranstaltungen mit brasilianischer Musik zu organisieren wie z. B. Forró, Samba und Choro. Dadurch entstand die „Roda de Choro“, eine monatlich stattfindende Jam-Session, bei der alle, die ein Instrument spielen, mitmachen können. Wir freuen uns, in diesem Jahr ein Konzert zum Abschluss der Interkulturellen Tage zu geben. Gemäß dem Motto „Vielfalt gemeinsam gestalten.“ spielen wir das Konzert zusammen mit dem Orchester „Paradiesisch Musizieren“ von der Evangelischen Hochschule. Wir bringen brasilianische Musik mit orientalischen Klängen zusammen. Es lohnt sich vorzukommen!
Seit wann sind Sie Dresdnerin?
Ich bin seit 2009 Dresdnerin, obwohl ich das damals noch nicht wusste. Als ich noch kein Deutsch gesprochen habe, habe ich mich überhaupt nicht integriert gefühlt. Ich konnte nicht einmal die Anleitung auf der Perlgraupen-Verpackung verstehen. Noch dazu kannte ich Perlgraupen überhaupt nicht.
Ich war plötzlich nicht mehr in meiner Heimat und auch in keiner neuen angelangt. Als mein Sohn 2011 zur Welt kam, war mir plötzlich klar, dass ich ihm meine Heimat hier in Dresden zeigen und erlebbar machen muss. Ich musste meine Heimat nach Dresden holen: Damals habe ich andere brasilianische Eltern kennengelernt und wir haben zusammen die Initiative „Deutsch-brasilianische Kinder aus Dresden" gegründet. Wir treffen uns seit sechs Jahren monatlich und planen brasilianische Feste zusammen. Das sind z. B. Karneval, Junifest und die Weihnachtsfeier. Wir setzen uns außerdem für das Recht auf mehrsprachige Erziehung unserer Kinder ein.
Wie kann Vielfalt gemeinsam gestaltet werden?
Wir müssen unser Selbstbewusstsein stärken und uns gegenüber Fremdenfeindlichkeit durchsetzen. Wir sollten uns nicht verstecken. Wenn ich mich mit meinen Kindern in der Öffentlichkeit laut auf Portugiesisch unterhalte und sich jemand beschwert, dann versuche ich noch lauter zu reden statt mich zu schämen und zu verstummen. Ich finde es wichtig, sich nicht zu isolieren. Unsere Kinder müssen unsere Integration erleben und sehen, dass wir uns bemühen, uns in Dresden wohlzufühlen und ihnen und uns hier eine Heimat aufzubauen.
Ich bin die Urenkelin syrischer Migranten, die Anfang des 19. Jahrhunderts nach Nordbrasilien ausgewandert sind. Daher lautet mein Nachname auch Maklouf. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind viele Menschen aus Europa, Asien und dem mittleren Osten nach Brasilien gekommen. Brasilien besteht aus einer großen Mischung verschiedener kultureller Einflüsse. In Brasilien haben alle Menschen einen Migrationshintergrund.
Man gestaltet Vielfalt zusammen, indem man die Neuzugewanderten herzlich willkommen heißt. Ab diesem Punkt müssen die Herausforderungen gemeinsam angegangen und bekämpft werden. Die Zukunft gehört schließlich uns allen!