Landeshauptstadt Dresden - www.dresden.de https://www.dresden.de/de/leben/gesundheit/beratung/selbsthilfe/selbsthilfegruppen_vorgestellt.php 04.12.2020 11:36:08 Uhr 01.11.2024 01:11:24 Uhr |
Selbsthilfegruppen vorgestellt
Selbsthilfegruppe Lipidhilfe-Lp(a)
Die KISS nutzte den (teilweisen) Lockdown im November 2020 als Gelegenheit, um mit Herrn Schubert, Selbsthilfegruppe Lipidhilfe-Lp(a), ins Gespräch zu kommen. Die Gruppe gründete sich vor einem Jahr – im November 2019 – und geht aktiv digitale Wege.
Wie sind Sie auf Selbsthilfe gekommen?
Zwei Tage nach meinem 60. Geburtstag konnte ich plötzlich nur noch schwer laufen. Ursache hierfür war eine Ader, die sich zugesetzt hatte. Über ein Jahr später stellte sich heraus, dass ein ausgeprägt erhöhter Lipoprotein(a)-Spiegel - kurz Lp(a) - verantwortlich war. LP(a) hat thrombosefördernde Eigenschaften und kann zu beschleunigter Arterienverkalkung führen. Die Folge sind höhere Risiken für einen Herzinfarkt oder auch Schlaganfall.
Während meiner Reha in Bad Gottleuba lernte ich andere Betroffene kennen. Wir erfuhren, dass die Problematik eines erhöhten Lp(a)-Spiegels und die damit verbunden gesundheitlichen Risiken zum Teil noch nicht bekannt genug sind. Erst in den letzten sechs bis sieben Jahren erfolgte sukzessive eine Anerkennung als Krankheit. Es gibt Behandlungsmethoden wie Apherese und auch erste Medikamente. Diese müssen aber noch in Testserien bestehen. Dieses Wissen wollten wir bündeln - anderen Leuten helfen.
Der Chefarzt der Median-Klinik Bad-Gottleuba, Dr. Altmann, machte uns schließlich auf die Möglichkeit der Selbsthilfe aufmerksam. Beim Landesverband Sachsen für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. (LVS/PR), den gesetzlichen Krankenkassen, bei Dr. Altmann und auch in der KISS finden wir sehr gute Unterstützung.
So gründeten sechs Betroffene am 22.11.2019 die Selbsthilfegruppe LipidHilfe-Lpa.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Selbsthilfegruppe?
Die Selbsthilfegruppe soll in erster Linie Quelle für den Informationsaustausch sein und dazu beitragen, die Bekanntheit in der Öffentlichkeit zu steigern. Außerdem wollen wir auch die Pharmaindustrie für unsere Problematik sensibilisieren. Regelmäßig finden Vorträge und Diskussionen zu krankheitsspezifischen Symptomen und Behandlungsansätzen von und mit medizinischem Fachpersonal statt. Wir sind niemandem verpflichtet. Wir wollen helfen! Das steht für uns ganz oben! Ein gewisses Maß an Idealismus gehört einfach dazu.
Wie haben sich die Corona-Pandemie und der Lock-Down auf Ihr Gruppenleben ausgewirkt?
Tatsächlich hat Corona für uns kaum etwas verändert. Ja, wir können uns jetzt nur noch zu viert oder auch zu fünft in Ihren Räumlichkeiten treffen. Aber auch im Vorfeld gab es schon Mitglieder, die sich elektronisch zu den Treffen zuschalteten, weil die Anfahrt einfach zu weit gewesen wäre. Die Zuschaltung der weiteren Gruppenmitglieder und Interessierten erfolgt über Skype. Das Internet läuft über einen Hotspot von meinem Handy aus. Deutlich besser wäre es natürlich, wenn die KISS W-Lan bereitstellen könnte.
Und das mit den Videokonferenzen hat auf Anhieb funktioniert? Gab es im Vorfeld Schulungen?
Ja, klar hat das funktioniert. Wenn ich etwas will, finde ich Wege – wenn nicht, dann finde ich Gründe. Wir sind doch alle fit und man hilft sich gegenseitig. Da bedarf es keiner Schulung. Zum Austausch zwischendurch nutzen wir außerdem auch unsere Cloud. Wir haben einen eigenen YouTube-Kanal – Lipidhilfe-Lp(a). Da können Sie gern mal reinschauen. Sie finden dort viele interessante Infos rund um unsere Selbsthilfegruppe und auch die Arzt-Patienten- Schulungen sind online. Für das kommende Jahr planen wir derzeit einen Image-Film, welcher dann ebenfalls auf unserem Kanal zu sehen sein wird. Interessierte können sich darüber hinaus auf unserer Internetseite lipidhilfe-lpa.de zum Thema belesen.
Da haben Sie ja schon ganz viel auf die Beine gestellt. Wie viele Mitglieder sind Sie denn jetzt?
Angefangen haben wir mit sechs Betroffenen. Mittlerweile sind wir knapp 20.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Peer-Point ist Hilfe und Unterstützung von Betroffenen für Betroffene“
Selbsthilfegruppen vorgestellt (5)
„Peer-Point ist Hilfe und Unterstützung von Betroffenen für Betroffene“
Sylvia Kalix, Leiterin der Selbsthilfegruppe „Peer-Point“ gibt Auskunft
Wenn man sich mit Fragen, Sorgen, einem Problem oder Anliegen allein gelassen fühlt und sich gern mit anderen Menschen austauschen möchte, denen es ähnlich geht, dann könnte eine Selbsthilfegruppe genau das Richtige sein. Es gibt in der Landeshauptstadt eine große Vielfalt in der Selbsthilfe. Viele Gruppen treffen sich zu Themen aus den Bereichen chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder Süchte. Aber auch Trauer, Missbrauch, Essstörungen, Mobbing oder soziale Themen können in Selbsthilfegruppen bearbeitet werden.
Einige davon stellen sich in den nächsten Amtsblatt-Ausgaben den Fragen der Redaktion. Die Amtsblatt-Redaktion sprach im fünften Teil mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe „Peer-Point“, Sylvia Kalix.
Peer-Point – Was ist das eigentlich?
Eine Gruppe von Menschen, die alle mit einer psychischen Erkrankung leben und diese auch akzeptieren. Alle haben wir Erfahrungen im Umgang mit unserer Erkrankung gemacht, haben Krisensituationen erlebt und auch gemeistert. Aus all unseren Erfahrungen schöpfen wir Kraft und Mut, um anderen Betroffenen und Angehörigen zur Seite stehen zu können.
Leider ist es in unserer Gesellschaft oft so, dass nur der krank ist beziehungsweise krank sein darf, bei dem die Krankheit auch körperlich zu sehen ist. Oft hört man: „Reiße dich doch einfach mal zusammen. Draußen scheint die Sonne“ oder „Geh einfach mal an die frische Luft – dann ist es auch wieder gut.“ Solche Floskeln sind völlig unangebracht und zeigen, dass noch viel Arbeit nötig ist, bis psychische Krankheiten Akzeptanz in der Öffentlichkeit finden.
Im Peer-Point geben Betroffene anderen Betroffenen Hilfe und Unterstützung. Die Kommunikation ist ebenbürtig – ganz nach dem Peer-to-Peer-Ansatz. Eine psychische Erkrankung hat so viele Facetten und wie alles im Leben auch viele positive Seiten. Ich habe wahrgenommen, dass Menschen mit psychischen Krankheitsbildern oft feinfühliger und emphatischer reagieren als andere. Der besondere Tiefgang dieser Menschen zeigt sich vor allem in der Kunst- und Musikszene sowie im Sport.
Wie sind Sie dazu gekommen beim Dresdner Peer-Point mitzuwirken?
Ich bin seit fast 20 Jahren auf sozialer Ebene in Dresden tätig. Bereits im Jahr 2000 gründete ich unter dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Zwängen. Für mich ist es immer wieder sehr wichtig, nicht gegen die Erkrankung zu kämpfen. Stattdessen sollte man versuchen, mit der Erkrankung ein für sich lebenswertes Leben zu führen. Ich sehe die Krankheit als Chance. Als ich von den Plänen zur Eröffnung eines Peer-Point hörte, war ich sofort Feuer und Flamme. Gemeinsam etwas verändern. Einen Ort für ein Miteinander schaffen. Das ist mein Ding.
Was hat Sie bewogen die Leitung zu übernehmen?
Ich bin ein Mensch, der einfach losmacht. Ich versuche in allem das Positive zu sehen und optimistisch an Aufgaben heranzugehen. Es ist wichtig Menschen zu zeigen, dass alles seinen Sinn hat und dass es sich lohnt, neues auszuprobieren. Geht es schief, bleibt die Erfahrung. Gern vermittle ich Unterstützung, Hoffnung, Empathie und Leichtigkeit. Es gibt mir selbst Kraft. Daher war es für mich eine schöne Herausforderung, die Leitung der Gruppe zu übernehmen.
Woran arbeiten Sie jetzt gerade?
Seit vielen Jahren hatte ich den Traum, ein Haus für Menschen mit einer Zwangserkrankung zu gründen. Der Traum wird wahr, wenn auch zunächst mit einer Begegnungsstätte mit Cafécharakter. Nun nicht mehr „nur“ für Menschen mit Zwängen, sondern für alle Menschen, die einsam sind, die mit einer psychischen Erkrankung leben und mit anderen Menschen ins Gespräch kommen wollen.
Das Café soll vor allem in den Abendstunden, an Sonn- und Feiertagen eine Begegnungsstätte sein. Für unsere Selbsthilfegruppe und auch unser Café möchte ich Menschen motivieren, mitzuwirken. Es ist wichtig, dass wir mit der psychischen Erkrankung offen umgehen und uns nicht mehr verstecken. Es kostet so viel Kraft und vor allem verlieren wir dabei unsere Selbstachtung.
Leider erwarten wir viel zu oft Verständnis, wollen jedoch selbst nicht zeigen, wofür wir es eigentlich erwarten. Die Frage ist nicht warum, die Frage ist, warum nicht. In dem Sinne freuen wir uns auf Menschen, die sich angesprochen fühlen, bei uns mitzuwirken, um die Welt somit ein wenig freundlicher, sonniger, verständnisvoller zu machen. Gern können Interessierte über die KISS mit uns Kontakt aufnehmen.
Hinweis: Der am 13. Juni 2020 geplante 12. Dresdner Selbsthilfetag im Atrium des World Trade Centers, findet nicht statt.
Das Leben ohne Kind ist wie das Fallen ins Bodenlose
Selbsthilfegruppe vorgestellt (4)
„Das Leben ohne Kind ist wie das Fallen ins Bodenlose“
Die neue Selbsthilfegruppe „OK“ – Menschen, die trotz Kinderwunschs keine Kinder haben – stellt sich vor
Wenn man sich mit Fragen, Sorgen, einem Problem oder Anliegen allein gelassen fühlt und sich gern mit anderen Menschen austauschen möchte, denen es ähnlich geht, dann könnte eine Selbsthilfegruppe genau das Richtige sein. Es gibt in der Landeshauptstadt eine große Vielfalt in der Selbsthilfe. Viele Gruppen treffen sich zu Themen aus den Bereichen chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder Süchte. Aber auch Trauer, Missbrauch, Essstörungen, Mobbing oder soziale Themen können in Selbsthilfegruppen bearbeitet werden.
Einige davon stellen sich in den nächsten Amtsblatt-Ausgaben den Fragen der Redaktion. In der vierten Folge äußert sich eine Frau, die Mitglied der neuen Selbsthilfegruppe „OK“ ist und anonym bleiben möchte.
OK-Gruppe – wofür steht das?
In der OK-Gruppe treffen sich Menschen, die trotz Kinderwunschs keine Kinder haben. Viele Paare versuchen jahrelang, ein Kind zu bekommen. Irgendwann müssen sie sich damit abfinden, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung geht. Dies ist sehr schmerzhaft. Dann bricht oft ein ganzes Lebenskonzept in sich zusammen. Es benötigt vor allem Trost und Verständnis. Das jahrelange Hoffen und Bangen bringt Paare an den Rand der Verzweiflung und an ihre körperlichen und seelischen Grenzen. In der Gruppe treffen sie auf Leidensgenossinnen und Leidensgenossen, die wissen, worum es geht, die wissen, wie es sich anfühlt – wie unendlich traurig und ohnmächtig. Das Thema wird in unserer Außenwelt leider immer noch sehr tabuisiert. Es fehlt oft der nötige Austausch, um irgendwann „heil“ und mit neuem Mut aus dieser Krise hervorzugehen. Die Betroffenen dürfen in unserer Runde trauern und Abschied nehmen. Gemeinsam finden wir neue Wege, wie ein Leben ohne Kind aussehen kann.
Haben Sie sich Kinder gewünscht?
Ja, sehr!
Wie war es, einsehen zu müssen, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllt?
Ich bin nun 45 Jahre alt. Etliche Versuche, ein Kind zu bekommen, sind gescheitert. Irgendwann fehlen die Kraft, der Mut und die Hoffnung, um weiter zu machen. Vor der letzten künstlichen Befruchtung war klar, dass dies der letzte Versuch sein wird. Es hat leider nicht geklappt. Dieses „ins Bodenlose fallen“ und der unsägliche Schmerz, den keiner nehmen kann, sind immer so schlimm. Ich wollte das nicht mehr! Dass ich kein Kind mehr haben darf, habe ich wohl noch nicht wirklich realisiert. Ich befinde mich derzeit im Prozess des Abschiednehmens.
Was erhoffen Sie sich von der Gruppe?
In erster Linie wünsche ich mir Austausch und Entlastung. Endlich kann ich Menschen begegnen, die das Gleiche erfahren haben, wie ich und die wissen, wie sich das anfühlt. Mein Mann kann sich nur schwer einfühlen, da er bereits zwei Kinder hat. Vor allem wünsche und erhoffe ich mir, aber auch einen Weg zu finden, wie es nun für mich und uns weitergehen kann. Ich möchte nach vorn schauen, wieder mit Freude auf meine Zukunft blicken dürfen.
Wie können Interessierte Kontakt mit Ihrer Gruppe aufnehmen?
Über die KISS. Oder sie schauen einfach beim Gruppentreffen vorbei. Wir treffen uns an jedem dritten Donnerstag im ungeraden Monat, 19 Uhr, in der KISS. Das nächste Treffen ist am 19. März.
Selbsthilfegruppe für Eltern von Minderjährigen mit Essstörungen
Selbsthilfegruppen vorgestellt (3)
„Die gegenseitige Unterstützung hilft ungemein und gibt Mut“
Manuela Clauß leitet die Selbsthilfegruppe für Eltern von Minderjährigen mit Essstörungen „Zeit für neue Wege“
Wenn man sich mit Fragen, Sorgen, einem Problem oder Anliegen allein gelassen fühlt und sich gern mit anderen Menschen austauschen möchte, denen es ähnlich geht, dann könnte eine Selbsthilfegruppe genau das Richtige sein. Es gibt in der Landeshauptstadt eine große Vielfalt in der Selbsthilfe. Viele Gruppen treffen sich zu Themen aus den Bereichen chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder Süchte. Aber auch Trauer, Missbrauch, Essstörungen, Mobbing oder soziale Themen können in Selbsthilfegruppen bearbeitet werden.
Einige davon stellen sich in den nächsten Amtsblatt-Ausgaben den Fragen der Redaktion. In der dritten Folge äußert sich die Leiterin der Selbsthilfegruppe für Eltern von Minderjährigen mit Essstörungen „Zeit für neue Wege“, Manuela Clauß.
Wie sind Sie auf Selbsthilfe gekommen?
Nachdem bei meiner Tochter 2015 eine Essstörung diagnostiziert wurde, fühlte ich mich oft sehr hilflos, verunsichert und allein. Später – in der Klinik – lernte ich andere Eltern kennen, denen es ähnlich ging wie mir. Der Austausch mit ihnen tat mir richtig gut. Über das Internet wurde ich schließlich auf die Kontakt- und Informationsstelle für Selbshilfegruppen (KISS) aufmerksam. Dann war es nur noch ein kleiner Schritt, hin zum ersten Gruppentreffen.
Seit wann besteht Ihre Selbsthilfegruppe?
Wir treffen uns seit Sommer 2018 monatlich in der KISS.
Was macht Ihre Selbsthilfegruppe aus?
Wir sprechen über unsere Erfahrungen und tauschen uns über verschiedene Anlaufstellen aus. Die gegenseitige Unterstützung hilft ungemein. So gibt uns die Gruppe gegenseitig unglaublich viel Kraft und Mut. Wir haben für Jede(n) ein offenes Ohr und nehmen uns ausgiebig Zeit für einander.
Wie können Interessierte Kontakt mit Ihrer Selbsthilfegruppe aufnehmen?
Wer Interesse an unserer Selbsthilfegruppe hat und sich ebenfalls „Zeit für neue Wege“ nehmen möchte, kann sich gern an die KISS wenden. Sie können aber auch einfach zu einem unserer Gruppentreffen hereinschnuppern.
Wir treffen uns an jedem vierten Mittwoch im Monat, 18.30 Uhr, in der KISS.
Kreative Selbsthilfegruppe Depression
Selbsthilfegruppen vorgestellt (2)
„Bei uns steht das kreative Tun im Mittelpunkt“
Monika Grützner rief die „Kreative Selbsthilfegruppe Depression“ ins Leben und leitet diese
Wenn man sich mit Fragen, Sorgen, einem Problem oder Anliegen allein gelassen fühlt und sich gern mit anderen Menschen austauschen möchte, denen es ähnlich geht, dann könnte eine Selbsthilfegruppe genau das Richtige sein. Es gibt in der Landeshauptstadt eine große Vielfalt in der Selbsthilfe. Viele Gruppen treffen sich zu Themen aus den Bereichen chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder Süchte. Aber auch Trauer, Missbrauch, Essstörungen, Mobbing oder soziale Themen können in Selbsthilfegruppen bearbeitet werden.
Einige davon stellen sich in den nächsten Amtsblatt-Ausgaben den Fragen der Redaktion. In der zweiten Folge kommt Monika Grützner zu Wort, die die „Kreative Selbsthilfegruppe Depression initiierte.
Wie sind Sie auf Selbsthilfe gekommen?
Nach jahrelanger ambulanter Ergo- und Kunsttherapie musste ich anderen Patienten, denen es schlechter ging als mir, „Platz machen.“ Deshalb entstand bei anderen Psychiatrieerfahrenen und mir die Idee, gemeinsam ein kleines Atelier zu suchen. Wir scheiterten leider an den Mietpreisen verschiedener Objekte. Zum Glück hatte ich von der KISS schon mal gehört. Und nach einem Beratungstermin bei den Selbsthilfeprofis ging alles ganz schnell. Ich vereinbarte ein Treffen im Kinder- und Jugendhaus „Pat´s Colour Box“ und besichtigte den dortigen Kreativraum. Er ist wie für uns geschaffen. Am 14. Dezember 2018 gründete sich die „Kreative Selbsthilfegruppe Depression“, und am 8. Januar 2019 ging`s los.
Was macht Ihre Selbsthilfegruppe aus?
Wir sind eine „bunte Truppe“ aus zahlreichen Frauen und einigen Männern von 23 bis 61 Jahren. Bei uns stehen nicht Gespräche im Mittelpunkt, sondern das kreative Tun. Jeder kann eigenständig entscheiden, was er möchte: Malen, Zeichnen, Collagen herstellen usw. Das notwendige Material wird entweder vom Kinder- und Jugendhaus bereitgestellt oder von uns beschafft. In angenehmer Atmosphäre verbringen wir – bei Tee und Kaffee – zwei schöne Stunden. Für mich persönlich ist der Dienstagnachmittag das Highlight der Woche.
Waren Sie schon immer ein kreativer Mensch?
Nein, auf keinen Fall. Feste Strukturen bestimmten mein Leben. Da war nur wenig Platz für Kreativität, und sie hat mir auch nicht gefehlt. Während meiner Aufenthalte in Psychiatrischen Kliniken habe ich später erkannt, Gedanken und Gefühle auch in künstlerischer Form auszudrücken. In einer schweren Depression wird die Umwelt vorwiegend negativ erlebt. Dies kann mittels kreativen Schaffens aktiv verändert werden. Auch in meiner seit Jahren anhaltenden stabilen Phase tut mir Malen gut.
Wie können Interessierte Kontakt mit Ihrer Selbsthilfegruppe aufnehmen?
Interessierte können gern dienstags, zwischen 15 und 17 Uhr, ins Kinder- und Jugendhaus „Pat´s Colour Box“, Händelallee 23, kommen. Im Erdgeschoss, rechts, befindet sich der Kreativraum, in dem wir uns treffen. Wer Fragen hat, kann diese per Mail an moni@m-gruetzner.de stellen. Wer Bedenken hat, allein in eine Gruppe zu kommen, mit dem treffe ich mich gern schon 14.45 Uhr im Kreativraum. Wir freuen uns auf neue Mitstreiter. Niemand muss Vorkenntnisse mitbringen. Aber Achtung: In den Schulferien finden keine Treffen statt.
Februar 2020
Stotternde sagen’s auf ihre Weise
Selbsthilfegruppen vorgestellt (1)
„Stotternde sagen’s auf ihre Weise“
Dr. Thomas Brockow arbeitet aktiv im Landesverband Ost „Stottern und Selbsthilfe“ mit
Wenn man sich mit Fragen, Sorgen, einem Problem oder Anliegen allein gelassen fühlt und sich gern mit anderen Menschen austauschen möchte, denen es ähnlich geht, dann könnte eine Selbsthilfegruppe genau das Richtige sein. Es gibt in der Landeshauptstadt eine große Vielfalt in der Selbsthilfe. Viele Gruppen treffen sich zu Themen aus den Bereichen chronische Erkrankungen, psychische Belastungen oder Süchte. Aber auch Trauer, Missbrauch, Essstörungen, Mobbing oder soziale Themen können in Selbsthilfegruppen bearbeitet werden.
Einige davon stellen sich in den nächsten Amtsblatt-Ausgaben den Fragen der Redaktion. Den Beginn macht Dr. Thomas Brockow, der Sprechstunden rund um das Thema Stottern und Selbsthilfe anbietet.
Was ist Stottern?
Stottern ist eine Sprechbehinderung, die sich im Wiederholen von Wörtern, Silben und Lauten sowie in Blockaden äußert. Im Moment des Stotterns wissen Stotternde genau, was sie sagen möchten, sind aber nicht in der Lage, es störungsfrei herauszubringen. Sie verlieren die Kontrolle über den Sprechapparat. Häufig ist Stottern mit einer übermäßigen Anstrengung beim Sprechen verbunden.
Wie sprechen Sie mit ihren Mitmenschen?
Es wird Sie erstaunen, ich spreche mit meinen Mitmenschen in verschiedenen Sprechvarianten. Es besteht ein hoher Konsens unter Stotter- und Verhaltenstherapeuten, dass es für Stotterer am besten ist, wenn sie ihr Stottern offen zeigen. Ziel ist ein anstrengungsfreies Stottern. Dieses heere Behandlungsziel ist jedoch nicht immer umsetzbar.
Wir Stotterer müssen, wenn wir einmal unerwartet schwer stottern, von unserer Umwelt verstanden werden. Und wir kaufen uns in sozialen Bewertungssituationen möglicherweise Nachteile ein, wenn wir frei drauf los stottern, zum Beispiel in Vorstellungsgesprächen oder Diskussionen vor fremdem Publikum. Ich persönlich bin deshalb zum Schluss gekommen, in Gesprächen, die sehr mit persönlichen oder beruflichen Bewertungen verknüpft sind, auf verschiedene Sprechtechniken zurückzugreifen, wie langsames Stottern, weiche Stimmeinsätze oder verzögertes Sprechen.
Sie haben beruflich viel mit Menschen und Kommunikation zu tun. Ist da Stottern nicht eher ein Hindernis?
Stottern kann, aber braucht kein Hindernis für einen sprechenden Beruf sein. Es liegt viel an der eigenen inneren Einstellung, aber auch am familiären, schulischen oder beruflichen Umfeld. Bei mir ging als junger Stotterer so Einiges schief. Spezifische Stottertherapien standen nicht zur Verfügung und meine Lehrer waren im Umgang mit Stotterern nicht geschult. Erst mit zunehmender fachlicher und personlicher Reife nahmen meine Sprechängste ab und mein Sprechen wurde flüssiger.
Im klinischen Alltag als Arzt war die Sprechbehinderung in der Regel kein Hindernis. Die Mehrzahl der Patienten zeigten dafür Verständnis. Im beruflichen oder politischen Weiterkommen gibt es jedoch klare Grenzen für Stotterer. Ein stotternder Arzt erhält in Deutschland im Idealfall eine Professur in einem klinischen Fach, die Letztverantwortung wird ihm aber nicht übertragen. Und in der Politik? Hier dürfte der Politiker Malte Spitz als schwerer Stotterer eine Ausnahmeerscheinung sein. Er hat wie die meisten Stotterer lernen müssen, dass das Stottern zu ihm gehört ‚wie sein Name an der Tür‘.
Und natürlich beeinflusst Stottern die berufliche bzw. politische Arbeit und zwar umso stärker, je mehr man in der Öffentlichkeit steht. Und so beeinflusst auch mein Stottern meinen beruflichen Alltag, mal weniger, mal mehr. Man braucht dazu viel Stärke, Mut und auch Unterstützung von außen.
Was raten Sie Menschen, die stottern?
Ich rate jedem Stotterer dazu, sich erst einmal professionelle Hilfe einzuholen. Eine ausgezeichnete Erstberatung zu seriösen Therapieangeboten erhält man bei der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e. V. (BVSS) oder im Sprechraum in Berlin-Charlottenburg. Erwartungen, dass man die Sprechbehinderung wegtherapieren könne, werden hier nicht geweckt. Denn die „Pille gegen Stottern“ gibt es schlichtweg nicht.
Einen leicht verständlichen Überblick für Betroffene und ihre Angehörige mit wissenschaftlich gesicherten Informationen, was Stottern ist, wie es erkannt und behandelt werden kann, gibt die Patientenleitlinie ‚Stottern und Poltern‘ der Arbeitsgemeinschaft medizinischer Fachgesellschaften.
Wie geht es nach der Therapie weiter?
Manche Therapeuten bieten für die Zeit nach der Therapie jährliche Auffrischseminare oder turnusmäßige Videokonferenzen an. Ein anderer Weg ist, sich als Stotterin oder Stotterer mit anderen stotternden Menschen zu einer Selbsthilfegruppe zusammenzuschließen.
In Dresden existierte bislang keine stotterspezifische Selbsthilfegruppe. Jetzt arbeiten Aktive daran, zum einen eine Selbsthilfegruppe für junge Stotternde in Kooperation mit der bundesweiten Flowgruppe, zum andern eine generationsübergreifende Selbsthilfegruppe für Jung und Alt zu gründen.
Wer Lust hat mitzumachen oder sich erst einmal genauer über die Gruppen informieren möchte, wendet sich am besten an die städtische Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS).
Was ist das BVSS?
BVSS steht für Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e. V. und ist ein Interessenverbund stotternder Menschen in Deutschland. Die BVSS wird durch sieben Landesverbände unterstützt. Für Sachsen ist der Landesverband Ost zuständig. Dr. Brockow ist Ansprechpartner des Landesverbandes Ost für Sachsen und bietet in der KISS eine Sprechstunde rund um das Thema Stottern und Selbsthilfe an.
Januar 2020„Die Gruppe hat mich stark gemacht.“
Im Interview: Die Gruppenleiterin der Selbsthilfegruppe Opfer von narzisstischem Missbrauch
Wie sind Sie auf Selbsthilfe gekommen?
Im Rahmen einer Psychotherapie wurde mir klar, dass meine Mutter eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat. Dies bedeutet eine schwere Störung ihres Selbstwertes aufgrund dessen sie sich selbst erhöht und andere abwertet. Es geht um emotionale Gewalt, die oft zu psychosomatischen Erkrankungen führt.
Ich war an einem Punkt angelangt, an dem mir der Austausch mit anderen immer wichtiger wurde. Da in Dresden noch keine solche Gruppe existierte, erkundigte ich mich bei der KISS, der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen, über die Modalitäten der Gründung einer Gruppe mit dem Namen Opfer von Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung.
Seit wann besteht Ihre Selbsthilfegruppe?
Damals gab es noch keine Gruppe für meine spezifischen Erfahrungen und Wünsche. Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen von KISS startete ich einen Presseaufruf an Menschen, die ebenfalls Opfer von Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen geworden waren und den persönlichen Austausch suchen. Im März 2017 kam es zu unserem ersten Gruppentreffen. Kristin Rietschel von der KISS begleitete dieses erste Treffen.
Wie viele Mitglieder hat Ihre Selbsthilfegruppe derzeit?
An unseren Gruppentreffen nehmen immer zwischen fünf bis zehn Personen teil. Drei von uns sind seit Beginn dabei.
Was macht Ihre Selbsthilfegruppe aus?
Bei uns treffen Menschen aufeinander, die schmerzhafte Erfahrungen im Zusammenleben mit Narzissten gemacht haben. Die meisten kommen aus einer narzisstisch geprägten Partnerschaft. Der Austausch mit Gleichgesinnten hilft, das Geschehene zu reflektieren und das eigene Bewusstsein zu stärken. Die schmerzhafte Realität ist, dass es sich um emotionale Gewalt handelt. Gewalt, die uns allen widerfahren ist. Gestärkt durch die Gruppe fällt es uns leichter, mit dieser Erfahrung im Alltag umzugehen.
Wie hat sich durch die Selbsthilfegruppe Ihre eigene Situation zum Positiven verändert?
Die Gruppe hat mich stark gemacht. Ich konnte kaum über meine Probleme reden, sie nicht ansprechen. Die Gruppe regte mich zum Sprechen an, brachte mich zum Nachdenken. Meine Probleme wurden mir klarer, bewusster – dadurch, dass ich sie selbst aussprach. Heute merke ich, wie sich der Knoten meiner Kindheit langsam löst. Ich habe wieder Lebensfreude gewonnen und bin wesentlich selbstbewusster.
Wie können Interessierte Kontakt mit Ihrer Selbsthilfegruppe aufnehmen?
Betroffene erhalten die Kontaktdaten unserer Gruppe bei der KISS. Sie können aber auch direkt zu einem unserer Gruppentreffen vorbeischauen. Diese finden jeden 1. und 3. Dienstag im Monat, 16.30 Uhr, in der Volkssolidarität auf der Alfred-Althus-Straße 2 a statt.
Selbsthilfe wird auch als vierte Säule im Gesundheitswesen bezeichnet. Wie schätzen Sie die Akzeptanz von Selbsthilfegruppen durch medizinisches Fachpersonal ein?
Bisher hatten wir als Selbsthilfegruppe noch keinen Kontakt zum Gesundheitswesen. Wir beabsichtigen demnächst, Flyer von unserer Gruppe zu gestalten und diese in Praxen und Krankenhäusern auszulegen. Wir sind gespannt, wie dort auf uns und unsere Flyer reagiert wird. Was wir uns als Gruppe allerdings manchmal fragen, ist, inwiefern Jugendämter und auch Richter über narzisstische Wesenszüge geschult sind. Gehören narzisstische Persönlichkeitsstörungen zum Inhalt des Studiums? Gibt es im späteren Berufsleben Weiterbildungen zu dieser Problematik? Narzissten sind oft sehr gekonnt in der Beeinflussung anderer Personen. Vielleicht sollte dies häufiger bei Entscheidungen einbezogen werden. Vor allem dann, wenn es um das Wohl von Kindern geht.
Sollte die Selbsthilfe aus Ihrer Sicht noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden?
Auf jeden Fall. Wenn ich im Bekanntenkreis über meine Gruppe spreche, habe ich das Gefühl, dass ein negatives Bild in den Köpfen besteht. Das sei ja nichts Professionelles. Oft heißt es, im Stuhlkreis ginge es nur um Selbstmitleid. Und diese falschen Bilder werden dann auch noch verbreitet. Es ist einfach nicht bekannt, was Selbsthilfe leistet, was sie ändern kann – aus eigenem Impuls. Das sollte unbedingt klar gerückt werden.
Selbsthilfe macht einfach Spaß!
Im Interview: Stephan Fischer, Leiter des Projektes Junge Selbsthilfe Dresden und der Selbsthilfegruppe Gesprächskreis Hirntumor Dresden
Wie sind Sie auf Selbsthilfe gekommen?
2005 kippte ich plötzlich in der Sauna um - Diagnose Hirntumor. Es folgten eine Operation und jährliche Nachuntersuchungen. 2008 wurde bei einer dieser Nachsorgeuntersuchungen festgestellt, dass der Tumor rezidiv - also wiedergekommen ist. Erneut wurde ich operiert. Anschließend folgten mehrere Rehas, Bestrahlung und Chemotherapie. Ich erhielt unglaublich viel Verständnis und Unterstützung aus Familie und Freundeskreis. Dennoch war es eine schwere Zeit, in der ich mich oft mit meinen Fragen, Problemen und Ängsten allein fühlte. Jahre später - auf einem Kongress der Krebshilfe - wurde ich angesprochen, ob ich nicht vielleicht Lust hätte eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Zwar hatte ich damals noch keine Erfahrung mit Selbsthilfe, aber ich dachte mir, klar, warum nicht? Versuch macht klug. So startete ich im November 2009 mit dem Dresdner Gesprächskreis Hirntumor. Rückblickend betrachtet, war das eine sehr gute Entscheidung. Momentan sind wir eine Gruppe von 15 Mitgliedern, deren Alter breit gestreut ist. Wir tauschen uns regelmäßig aus, machen uns Mut und unterstützen uns gegenseitig. Der Gesprächskreis hilft uns, selbst wieder etwas mehr Einfluss auf unser Leben zu nehmen und uns nicht aufzugeben. Durch regionale und auch deutschlandweite Erfahrungsaustausche mit Selbsthilfegruppenleitungen, Selbsthilfeorganisationen und auch Selbsthilfekontaktstellen wurde ich schließlich auf die bundesweite Bewegung der jungen Selbsthilfe aufmerksam. Dort wurde mir klar. Das brauchen wir auch hier in Dresden. Der Startschuss für das Projekt Junge Selbsthilfe Dresden.
Seit wann besteht Ihr Projekt?
Am 2. März 2017 traf ich mich mit Kristin Rietschel von der KISS zu einem 1. Arbeitstreffen. Sie war direkt Feuer und Flamme für meine Idee und sicherte mir ihre vollste Unterstützung zu. Wir starteten einen Aufruf an alle Dresdner Selbsthilfegruppen. Jeder der aktiv dabei mitwirken wollte, Selbsthilfe für junge Menschen interessanter zu gestalten, sollte sich bei uns melden. Im Mai 2017 fanden sich daraufhin erstmalig „Selbsthilfelotsen“ aus verschiedensten Gruppen zu einem gemeinsamen Austausch. Kristin Rietschel und ich teilen uns seither in die Projektleitung.
Wie viele Mitglieder hat Ihr Projekt derzeit?
Ursprünglich starteten wir zu Acht. Jetzt - ein reichliches Jahr später - haben sich uns bereits 18 aktive Mitglieder angeschlossen. Wir sind sehr breit aufgestellt. Es sind einige Gruppenvertretungen aus Selbsthilfegruppen für innere chronische Erkrankungen und Krebs dabei. Genauso haben wir aber auch Gruppenvertreterinnen und -vertreter aus dem Bereich seelische Gesundheit oder psychische Erkrankungen.
Was macht Ihr Projekt aus?
Durch die Einbindung in die bundesweite Bewegung Junge Selbsthilfe existiert eine umfassende Vernetzung des Projektes mit anderen Akteuren. Es erfolgt ein reger Austausch mit jungen Selbsthilfeaktiven aus verschiedenen Selbsthilfegruppen und anderen Selbsthilfekontaktstellen. Die Kommunikationswege der Engagierten in der Jungen Selbsthilfe sind bundesweit unglaublich schnell und vor allem unkompliziert. Das Projekt stellt sich dem anstehenden Generationenwechsel. Es ist offen für neue Wege und kreative Ideen. Es gestaltet Selbsthilfe lebendiger - will junge Menschen von Selbsthilfe begeistern. Wir - als Selbsthilfelotsen - wirken bei verschiedensten öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit - zuletzt erst beim „Gastmahl für Alle“ auf dem Dresdner Neumarkt. Es gibt regelmäßig öffentliche Stammtische. Junge Menschen, die sich nicht direkt in eine Selbsthilfegruppe trauen, erhalten hier - völlig unverbindlich - Infos von den ebenfalls jungen Selbsthilfelotsen. Die ähnlichen Interessen und Lebensphasen verbinden und schaffen Vertrauen. Ein junger Mensch interessiert sich nun mal nur bedingt für Themen wie Alter und Rente. Dafür umso mehr für die Vereinbarkeit der eigenen Situation mit dem erlernten Beruf oder auch der geplanten Familiengründung. Hier setzt das Projekt an.
Wie hat sich durch das Projekt Ihre eigene Situation zum Positiven verändert?
Durch die Junge Selbsthilfe lernte ich viele interessante, neue Menschen kennen. Nicht nur aus der Stadt Dresden - nein, auch bundesweit. Ich konnte mich mit vielen Aktiven in der Jungen Selbsthilfe vernetzen - auch mal über den Tellerand schauen. Ich lerne Menschen mit verschiedensten Lebensgeschichten und Schicksalen kennen. Auch viele Kontakte zu professionellen Akteuren haben sich aus dem Projekt ergeben. Davon profitiere nicht nur ich sondern auch meine Gruppe. Selbsthilfe ist für mich zu einem Beruf geworden. Es ist toll anderen Menschen helfen zu können. Selbsthilfe macht einfach Spaß - sie ist meine Energiequelle.
Wie können Interessierte Kontakt mit Ihrem Projekt aufnehmen?
Interessierte sind herzlich willkommen, uns zum nächsten Stammtisch am Donnerstag, den 13. September 2018, persönlich kennen zu lernen. Dieser findet ab 18 Uhr im Restaurant „Neue Sachlichkeit“ auf dem Gelände des Kraftwerk Mitte statt. Das Folgetreffen ist dann im November. Die genauen Termine werden regelmäßig auf der Internetseite der KISS veröffentlicht. Darüber hinaus findet man uns auch beim 11. Dresdner Selbsthilfetag am 29. September 2018 im WTC. Wer kurzfristig Kontakt aufnehmen möchte, kann dies am besten per E-Mail unter junge-selbsthilfe-dresden@web.de. Telefonische Kontaktaufnahmen erfolgen über Kristin Rietschel von der KISS. Nur Mut! Alles beginnt mit dem ersten Schritt.
Selbsthilfe wird auch als vierte Säule im Gesundheitswesen bezeichnet. Wie schätzen Sie die Akzeptanz von Selbsthilfegruppen durch medizinisches Fachpersonal ein?
Die Akzeptanz hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Vor allem Fachärzte erlebe ich als sehr offen - insbesondere für meine Selbsthilfegruppe. Sie sind dankbar für unsere Angebote, da ihnen selbst oft die Zeit für ausführliche persönliche Gespräche fehlt. Seitens unseres Projektes hatten wir bislang noch keine Berührungspunkte zum Gesundheitswesen. Mir schweben allerdings schon verschiedene Ideen für eine intensivere Kooperation mit dem Gesundheitswesen vor. Diese möchte ich jedoch erst verraten, wenn sie wirklich spruchreif sind.
Sollte die Selbsthilfe aus Ihrer Sicht noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden?
Ja, auf jeden Fall. Selbsthilfe sollte eigentlich überall präsent sein - nicht nur auf städtischen Veranstaltungen wie dem anstehenden Selbsthilfetag. Ich denke dabei an Kinowerbung, Festivals, Radiospots, Straßenbahn-werbung oder auch Postkartenaktionen. Vor einiger Zeit referierte ich in Freiberg im Kino vor mehr als 150 Menschen zum Hirntumor und meiner Selbsthilfegruppe. Dies wurde von den Besuchern unglaublich gut angenommen. So etwas sollte es viel öfter geben. Selbsthilfe ist bunt. Das ist das, was wir auch mit unserem Projekt vermitteln wollen.
Borreliose – das Chamäleon der Medizin
Im Interview: Helfried Thiele, Gruppenleiter der Selbsthilfegruppe Borreliose
Wie sind Sie auf Selbsthilfe gekommen?
Im April 1999 las ich in der Fachzeitschrift der AOK einen Artikel zur Selbsthilfe. Dieser interessierte mich sehr und ich informierte mich weiter.
Seit wann besteht Ihre Selbsthilfegruppe?
Die Gruppe gründete sich 1997, 2003 übernahm ich die Leitung.
Wie viele Mitglieder hat Ihre Selbsthilfegruppe derzeit?
Das lässt sich gar nicht so pauschal sagen, da nicht alle Menschen auf Dauer in der Gruppe bleiben. Manche erscheinen nur für ein oder zwei Treffs, um sich zu informieren und verabschieden sich anschließend wieder. Andere kommen parallel neu hinzu. Grob kann man wohl sagen, dass wir immer so zwischen 25 und 30 Mitglieder sind.
Was macht Ihre Selbsthilfegruppe aus?
Unsere Selbsthilfegruppe gewährt erkrankten Menschen und deren Angehörigen Hilfe und Unterstützung – insbesondere auch bei der Suche nach einem Borreliose behandelnden Arzt. Es gibt zu wenig Fachärzte für Infektologie. Hausärzte scheinen mit der Infektionserkrankung Borreliose oft überfordert. Kein Wunder, denn die Erkrankung ist ein Meister der Imitation. In Fachkreisen wird sie daher auch als das Chamäleon der Medizin bezeichnet. Es ist oft schwierig, eine Borreliose zu diagnostizieren und adäquat zu behandeln. Als Selbsthilfegruppe liegen uns Aufklärung und Prävention sehr am Herzen. Es wird ein reger Erfahrungsaustausch gepflegt. Die Mitglieder gehen alle sehr offen und verständnisvoll miteinander um. Es besteht unglaublich viel Vertrauen und auch Solidarität untereinander.
Wie hat sich durch die Selbsthilfegruppe Ihre eigene Situation zum Positiven verändert?
Ich bin sehr dankbar für die Hilfe, die ich 1999 von der Gruppe erhielt. Ich bekam hier ein umfangreiches Wissen über meine Erkrankung. Heute habe ich dadurch deutlich mehr Verständnis für die Erkrankung und schaffe es so, besser mit ihr umzugehen. Ich helfe nun selbst Betroffenen und kann damit auch etwas zurückgeben.
Wie können Interessierte Kontakt mit Ihrer Selbsthilfegruppe aufnehmen?
Am besten funktioniert dies per E-Mail. Unsere Adresse lautet helithi@aol.com. Ich versuche, alle Anfragen schnellstmöglich zu beantworten. Interessierte können aber auch gern zu einem unserer Gruppentreffen vorbeischauen. Diese finden jeden 2. Mittwoch im Monat, 19 Uhr, in der Seniorenbegegnungsstätte des DRK auf der Strießener Straße statt.
Selbsthilfe wird auch als vierte Säule im Gesundheitswesen bezeichnet. Wie schätzen Sie die Akzeptanz von Selbsthilfegruppen durch medizinisches Fachpersonal ein?
Ich würde sagen 50 zu 50. Von vollständiger Ablehnung bis zur vollständigen Akzeptanz findet sich alles. Immer häufiger melden sich Betroffene bei uns mit den Worten: „Mein Hausarzt hat mir die Empfehlung gegeben, mich bei Ihnen beraten zu lassen.“ Über diese zunehmende Aufgeschlossenheit freuen wir uns natürlich sehr.
Sollte die Selbsthilfe aus Ihrer Sicht noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden?
Auf jeden Fall. Selbsthilfegruppen bilden sich in der Regel dann, wenn in der medizinischen Versorgung etwas nicht stimmt. In der Landeshauptstadt Dresden gibt es neben unserer Gruppe keine hinreichende Beratungseinrichtung für Betroffene oder auch für Menschen, die den Verdacht hegen, an den Folgen einer Borreoliose zu leiden. Die von der Sächsischen Landesärztekammer ausgewiesene Anlaufstelle für Borreliose im Krankenhaus Neustadt scheint der Angelegenheit nicht gewachsen zu sein. Wir erhielten bislang nicht eine positive Rückmeldung von Betroffenen. Unser Vorschlag wäre daher, die Ambulanz für Tropen und Reisemedizin im Klinikum Dresden Friedrichstadt wieder für Borreliosepatienten zugänglich zu machen. So wie es einmal war und vor allem wäre diese auch günstig – zentrumsnah – gelegen.