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https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/amtsblatt/interview-gdd.php 31.01.2018 14:34:43 Uhr 07.05.2024 10:25:45 Uhr

„Wir helfen und schaffen Verständigung“

Im Gespräch mit dem langjährigen Projektleiter des ehrenamtlichen Gemeindedolmetscherdienstes, Hans-Joachim Wolf.
Im Gespräch mit dem langjährigen Projektleiter des ehrenamtlichen Gemeindedolmetscherdienstes, Hans-Joachim Wolf.

Vorgestellt: Hans-Joachim Wolf, Projektleiter des ehrenamtlichen Gemeindedolmetscherdienstes

Am Mittwoch, 31. Januar 2018, startete der ehrenamtliche Gemeindedolmetscherdienst Dresden mit seiner traditionellen Auftaktveranstaltung ins neue Jahr. Sozialbürgermeisterin Dr. Kristin Klaudia Kaufmann, die Vorsitzende des Dresdner Vereins für soziale Integration von Ausländern und Aussiedlern e. V.,
Dr. Ingrid Blankenburg, und Projektleiter Hans-Joachim Wolf übergaben den Dolmetscherinnen und Dolmetscherin ihre aktuellen Jahresausweise. „Sie bauen Brücken zwischen den Kulturen. Damit machen sie unsere Stadt zu einem besseren Ort, Tag für Tag", hob Dr. Kaufmann in ihrer Ansprache hervor und dankte den Aktiven für ihr ehrenamtliches Engagement. Herzlich dankte die Bürgermeisterin dem scheidenden Projektleiter Hans-Joachim Wolf für seine Arbeit. In einem Interview zieht er ein Resümee seiner Arbeit.

Herr Wolf, was bedeutet Ihnen der Gemeindedolmetscherdienst Dresden?

Der Gemeindedolmetscherdienst bedeutet mir sehr viel. Er ist für mich ein Stück Heimat geworden. Hier geht es familiär zu, hier ist Vertrauen und wir bewegen etwas. Dabei muss ich sagen: Anfangs hat es mir gar nicht so behagt. Als ich 2005 aus der Arbeitslosigkeit kommend, beim Dresdner Verein für soziale Integration von Ausländern und Aussiedlern e. V. anfing, war diese Aufgabe für mich komplettes Neuland. Ich habe Informationstechnik studiert und Projekte im technischen Bereich entwickelt und umgesetzt. Nun war ich plötzlich in der sozialen Schiene gelandet, mit Migranten. Aber ich bin da reingewachsen. Das lag vor allem an den Menschen, die mir bei meiner neuen Aufgabe begegnet sind. Sie haben mich begeistert und angespornt. Nicht auf das Fremde, sondern auf das Verbindende kommt es an. Wir helfen und schaffen Verständigung. Und wir versuchen auch den Helfern ein Stück Heimat zu geben. Dafür steht unser Projekt.

Seit Dezember sind Sie eigentlich im verdienten Ruhestand. Bis April machen Sie trotzdem als Teilzeit-Chef der 62 Dolmetscher weiter. Fällt es Ihnen schwer, zu gehen?

Ja. Ich empfinde die Arbeit für den Gemeindedolmetscherdienst als echte Bereicherung. Ich habe hier ein tolles Team von fünf Mitstreiterinnen an der Seite. Aber im April ist Schluss. Bis dahin übergebe ich den Staffelstab an meine Nachfolgerin Grit Mager.

Was war in den letzten zwölf Jahren für Sie der schönste Moment, an den Sie besonders gern zurückdenken?

Das war 2012 als die Förderung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auslief. Ich war überwältigt, als die Stadt Dresden und das Land Sachsen schnell und ohne große Vorbehalte in die Finanzierung eingestiegen sind. Die, die am meisten vom Dolmetscherdienst profitieren, waren ab diesem Zeitpunkt dabei. Diese Anerkennung war auch ein Aha-Effekt für unsere Dolmetscher. Von da an ist unsere Truppe noch enger zusammengewachsen. Heute vereint der Gemeindedolmetscherdienst Dresden Menschen aus über 30 Sprach- und Kulturräumen.

Persönlich sehr berührt hat mich die Aussage eines Dolmetscher: Für ihn war es eine wichtige Erfahrung, dass er hier gelernt hat, mit Menschen, die in seiner Heimat aus verfeindeten Lagern kamen, an einem Tisch zu sitzen und für ein gemeinsames Ziel zu lernen und zu arbeiten.

Gibt es ein Patentrezept für diese Vielfalt? Wie sichern Sie die Qualität?

Unsere Leute arbeiten ehrenamtlich und freiwillig und unterwerfen sich dafür auch noch einer Reihe von Verpflichtungen, um mitmachen zu dürfen. Ich habe mir deshalb immer gesagt: Eine Tätigkeit beim Gemeindedolmetscherdienst muss mehr sein, als eine Aufwandsentschädigung für Einsätze zu bekommen. Die Teilnehmenden sollen sich wohlfühlen, Freude haben und die Chance, sich weiterentwickeln können. Und die Auftraggeber sollen auf der anderen Seite einen professionellen und neutralen Partner erwarten. Dafür müssen die Dolmetscher gut qualifiziert sein und das Klima im Team muss stimmen.

Alle Dolmetscher durchlaufen bei uns eine Art Grundausbildung. Die besteht beispielsweise im Gesundheitswesen aus fünf Modulen. Wir arbeiten auf dem Gebiet mit dem Uniklinikum zusammen. Insgesamt um die 25 Fachseminare veranstalten wir jedes Jahr. Dabei unterstützen uns auch städtische Einrichtungen und freie Träger.

Großen Wert legen wir auf die Technik des Dolmetschens. Mit einer Kommunikationstrainerin üben wir typische Situationen. In einigen Kulturkreisen ist schon das Nachfragen oder Unterbrechen eine echte Hürde. Das üben wir. Und wir arbeiten mit Feedback. So werten wir bei neuen Dolmetschern die Einsätze mit ihnen und den Auftraggebern aus. Die Dolmetscher sind gehalten, Abweichungen, Erfahrungen oder Vorschläge zu notieren. In den Seminaren werten wir ausgewählte Einsätze aus und entwickeln gemeinsam Strategien zur Verbesserung. Wir arbeiten bei knapp 5 000 Einsätzen im Jahr nicht fehlerlos, aber jeder Fehler ist für uns einer zu viel.

Der Gemeindedolmetscherdienst ist auch in schwierigen Gesprächen Sprachrohr und Mittler. Wie gehen Sie mit solchen Belastungen um?

Wir nehmen die Verantwortung für unsere Mitstreiter sehr ernst. Deshalb gilt bei uns der Grundsatz: Kein Einsatz ohne vorherige Qualifizierung. Seit drei Jahren bieten wir unseren Dolmetschern zusätzlich Gruppen-Supervision an. Für Dolmetscher, die in Traumaeinrichtungen im Einsatz sind, ist die Teilnahme obligatorisch. Die Praxis zeigt uns immer wieder, wie wichtig das für den Einzelnen ist.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Gemeindedolmetscherdiensts?

Ich wünsche mir mehr Zeit für unsere Dolmetscher. Sie können sich vorstellen, dass es mit 62 ehrenamtlichen Dolmetschern zuweilen eine große Herausforderung ist, wie in einer großen Familie. Natürlich wünsche ich mir, dass unsere Einrichtung noch einen langen Bestand hat, auch weil sie das Potenzial hat, sich den wandelnden Anforderungen zu stellen und anzupassen. Ich würde mich freuen, wenn noch weitere Auftraggeber zur Einsicht gelangen, welche Unterstützung sie von gut ausgebildeten und motivierten Sprach- und Kulturmittlern für ihre Arbeit erhalten können. Hier sehe ich insbesondere auch den medizinischen Bereich und die Krankenkassen in der Pflicht. Es lohnt sich.